Bonus für Spritschlucker Merkel verteidigt Klimaziele
04.12.2008, 16:50 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem EU-Gipfel in Brüssel die gesetzten Klimaziele bekräftigt, zugleich aber erneut umfangreiche Zugeständnisse an die Industrie gefordert. Klimaschutz müsse zusammengehen mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen, sagte Merkel im Bundestag. Grüne, Linke und Umweltschützer warfen der Regierung vor, beim Klimaschutz von der Vorreiter- in die Bremserrolle gewechselt zu sein.
Merkel kündigte eine harte Gangart für die abschließenden Verhandlungen kommende Woche über das Klimapaket der EU an. Sie setze auf einen Erfolg, aber "wir werden auch unsere Positionen sehr hart vortragen", sagte die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung. So müsse es beim Emissionshandel Ausnahmeregelungen für Industriezweige mit hohem Energieverbrauch geben. Dies seien zum Beispiel die Branchen Eisen und Stahl, Kunststoff und Zement.
Zugeständnisse an Autobauer
Merkel verteidigte auch den ausgehandelten Kompromiss, wonach die Automobilindustrie mehr Zeit für die Umstellung auf schadstoffärmere Modelle erhalten soll: "Wir arbeiten für Arbeitsplätze und moderne Autos. Das muss man schon zusammenbringen", sagte die Kanzlerin. Letztlich müssen die Konsumenten darüber entscheiden, ob sie ein größeres oder ein kleineres Fahrzeug fahren wollten.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) verteidigte ebenfalls die Zugeständnisse an die Autoindustrie und verwies dabei auch auf die aktuelle Krise, die hunderttausende Arbeitsplätze gefährde. Auch hob er hervor, immerhin wolle die EU erstmals als verbindliches Ziel festschreiben, dass Neuwagen von 2020 an durchschnittlich nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen dürfen.
Klimaschutzabkommen zugestimmt
In einem auf Antrag der Koalition gefassten Beschluss bekannte sich der Bundestag zum Ziel eines neuen globalen Klimaschutzabkommens, über das noch bis Ende kommender Woche auf der UN-Klimakonferenz in Posen (Poznan) verhandelt wird. Deutschland will in diesem Zusammenhang bis 2020 seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent verringern. Bekräftigt wird ein früherer Bundestagsbeschluss, der die hundertprozentige Versteigerung der Emissionszertifikate im Stromsektor ab 2013 fordert.
Anschlag auf den Klimaschutz
Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) kritisierte im Bundestag, aus der deutschen Vorreiterrolle beim Klimaschutz sei "heute eine Bremserrolle geworden". Die Forderung der Industrie nach umfangreichen Ausnahmen für die Industrie beim Emissionshandel wertete er als "Anschlag auf den internationalen Klimaschutz". Es gebe "seit Jahren keinen Mangel an Absichtserklärungen, sondern an entsprechenden Ergebnissen", kritisierte Links-Parteichef Lothar Bisky. Michael Kauch (FDP) bekannte sich zur vollen Auktionierung von Emissionsrechten im Stromsektor, unterstützte aber die Regierungsforderung nach Sonderrechten für wichtige Industriebranchen.
Spritschlucker begünstigt
Greenpeace-Aktivisten protestierten mit einem brennenden CO2-Zeichen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin gegen die Klimapolitik der Regierung. "Frau Merkel, ihre Politik verheizt das Klima", hieß es auf einem Transparent. Greenpeace-Energieexperte Carsten Schmid verwies dabei auch auf das Ja von Union und SPD zu neuen Kohlekraftwerken. Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF sowie der umweltorientierte Verkehrsclub VCD protestierten unter dem Motto "Sparautos statt Spritfresser" gemeinsam gegen die Regierungspläne, Neuwagen unabhängig von ihrem Schadstoffausstoß für bis zu zwei Jahre von der Kfz-Steuer zu befreien.
Bei der Aktion stellten die Beteiligten zu Demonstrationszwecken ein VW Touareg und einen Golf Blue Motion auf. Bei einer Laufleistung von 20.000 Kilometern in einem Jahr schluckt der große Geländewagen Touareg rund 1 500 Liter mehr als der Kompaktklässler. Bei der Steuerbefreiung würde der Spritschlucker jedoch mit 772 Euro und der Golf mit 293 Euro begünstigt werden.
Quelle: ntv.de