NATO-Gipfel soll Signal geben Merkel will neue Strategie
10.11.2008, 21:02 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel fordert eine strategische Neuausrichtung der NATO. Der Jubiläumsgipfel der Allianz Anfang April in Straßburg und Kehl müsse ein geändertes Konzept des Bündnisses für das 21. Jahrhundert in Auftrag geben, forderte Merkel bei einer Tagung der Deutschen Atlantischen Gesellschaft in Berlin. Angesichts der neuen Herausforderungen und Gefahren sei Klarheit über die künftigen Aufgaben der NATO nötig. Dazu gehörten der Umgang mit asymmetrischen Bedrohungen, dem Terrorismus und zerfallenden Staaten ebenso wie die Rüstungskontrolle und die Sicherung wichtiger Transportwege.
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer nannte den Gipfel zum 60-jährigen Bestehen der NATO eine gute Gelegenheit, um die anhaltende Bedeutung der Allianz zu beweisen. Die Probleme, vor denen die NATO stehe, ließen sich aber nicht so einfach lösen, wie manche dies gern glauben machten. Das Bündnis werde nicht zwischen der Erweiterung oder der Zusammenarbeit mit Russland, zwischen zivilem oder militärischem Ansatz, zwischen EU-Verteidigungspolitik oder NATO-Entwicklung entscheiden.
"Wir können und werden nicht eins für das andere opfern", betonte Scheffer. Russland und die NATO stünden vor großen gemeinsamen Herausforderungen in der Sicherheitspolitik. Und am Hindukusch seien sowohl ziviler Wiederaufbau als auch militärische Absicherung nötig.
Große Erwartungen an Obama
Barack Obama wird beim NATO-Gipfel erstmals als US-Präsident in Europa auftreten. Die Erwartungen an ihn seien groß, sagte Merkel. Deutschland werde in großer Offenheit und im Geist der Kooperation agieren.
Merkel dämpfte aber mögliche Erwartungen der neuen US-Administration an ein größeres deutsches Engagement in Afghanistan. Die Bundesregierung habe den Einsatz permanent verstärkt, sagte sie. Zuletzt im Oktober mit der Aufstockung von 3500 auf 4500 Soldaten. Sie betonte aber, dass Berlin zur Entsendung von AWACS-Aufklärungsmaschinen zur Luftraumüberwachung bereit sei.
Afghanistan als Prüfstein der NATO
Die Entwicklung in Afghanistan entscheidet nach Ansicht der Bundeskanzlerin über die Zukunft der NATO. Von diesem NATO-Einsatz hänge die Akzeptanz, der Erfolg und das weltweite Ansehen der transatlantischen Militärallianz ab.
Das Ziel der sich selbsttragenden Sicherheit in Afghanistan sei noch nicht erreicht, sagte Merkel und mahnte zur Geduld. Afghanistan brauche kein anderes Konzept als das der sogenannten vernetzten Sicherheit von militärischen und zivilen Kräften. Eine Frage sei aber, mit welchen Kräften in Afghanistan zusammengearbeitet werde. Sie warnte davor, ein westliches Modell "überzustülpen". Es bleibe die Aufgabe Afghanistans selbst, auf der Basis seiner eigenen Traditionen und Werte ein stabiles Staatswesen zu schaffen.
Scheffer sagte, es gebe keinen besseren Begriff als die von Deutschland geprägte "vernetzte Sicherheit". Er warnte vor Aufteilungen in den "guten" zivilen Wiederaufbau des Landes und den "bösen" Militäreinsatz. Der zivile Wiederaufbau sei ohne Militär nicht möglich.
Merkel: Zu früh für Georgien und Russland
Merkel machte erneut deutlich, dass sie die Zeit für eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens und der Ukraine noch nicht für gekommen hält. Beide Staaten würden die Beitrittsbedingungen auf absehbare Zeit nicht erfüllen. Während die USA auf einen raschen Beitritt beider Länder zu der Allianz dringen, lehnt Russland dies als Eingriff in seinen Machtbereich scharf ab.
Mit Blick auf die Differenzen mit Russland zeigte sich Merkel gesprächsbereit. Es sei besser, miteinander als übereinander zu reden, sagte sie. Der Westen und Russland brauchten einander. Der Jubiläumsgipfel sei eine gute Gelegenheit, um ein klares Signal an Russland zu senden. Dies wäre ein Zeichen politischer Klugheit.
Quelle: ntv.de