CDU übt scharfe Kritik Merz: "Deutschland-Pakt zu Migration ist erledigt"
07.11.2023, 14:22 Uhr Artikel anhören
Bundeskanzler Scholz feiert die Bund-Länder-Beschlüsse zur Migration als "historischen Moment". Die CDU sieht das anders. Parteichef Merz und NRW-Ministerpräsident Wüst erkennen zwar Fortschritte an, diese reichen ihnen aber längst nicht aus. Die SPD weist die Kritik zurück.
Die CDU hat die Bund-Länder-Beschlüsse zur Asylpolitik zwar einerseits begrüßt, aber auch scharfe Kritik geübt. So wird das Maßnahmenpaket von Bund und Ländern zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen als unzureichend kritisiert, deshalb müssten weitere Schritte folgen. CDU-Chef Friedrich Merz warf Bundeskanzler Olaf Scholz mangelnde Kooperationsbereitschaft mit der Opposition vor. Er habe es abgelehnt, eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Regierung und Union zur Steuerung der Zuwanderung einzusetzen. "Damit ist das Thema Deutschlandpakt zum Thema Migration aus meiner Sicht erledigt", sagte Merz. "Ich erkenne im Augenblick beim Bundeskanzler keine Bereitschaft, die Gespräche mit uns substanziell fortzusetzen."
Die SPD im Bundestag wies die Kritik der Union an den Beschlüssen zurück. "Man darf das nicht einfach spielerisch behandeln oder nur aus einer Oppositionssicht. Jetzt ist nationaler Konsens erforderlich", sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vor einer Fraktionssitzung. Die Zusammenarbeit des Bundeskanzlers mit den Unionsparteien vor dem Treffen sei kein Fehler gewesen, sondern eine Notwendigkeit. Es gehe darum, einen nationalen Konsens im Sinne der Wähler zu finden und auch für die Menschen, die nach Deutschland flüchten. Die Arbeit von Scholz sei eine Einladung an den CDU-Chef. "Es kommt jetzt auf Herrn Merz an", sagte Mützenich.
Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschefs der 16 Länder hatten sich in der Nacht zu Dienstag nach monatelangem Streit über die Aufteilung der Flüchtlingskosten geeinigt und Maßnahmen zur Verringerung der irregulären Migration nach Deutschland vereinbart. Vom kommenden Jahr an zahlt der Bund für jeden Asylerstantragssteller eine jährliche Pauschale von 7500 Euro und nicht mehr eine jährliche Gesamtsumme von derzeit rund 3,7 Milliarden Euro. Die Länder hatten 10.500 gefordert, der Bund 5000 geboten, man traf sich also ungefähr in der Mitte.
Wüst: Pro-Kopf-Zahlungen des Bundes nicht ausreichend
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kritisierte die Höhe der vereinbarten Pro-Kopf-Zahlungen des Bundes von 7500 Euro pro Flüchtling und Jahr als nicht ausreichend. Im Schnitt entstünden den Kommunen Kosten von 20.000 Euro. Man habe aber nach harten Verhandlungen zugestimmt, weil die Kommunen vor Jahresende Planungssicherheit bräuchten. Der Bund zahlt den Ländern aber zusätzlich eine Pauschale von 1,75 Milliarden Euro und will sie durch Leistungskürzungen um eine Milliarde Euro entlasten. Dadurch reduziere man auch die "Pull-Effekte", also den Anreiz für Flüchtlinge und Migranten, nach Deutschland zu kommen, hieß es im Bundesfinanzministerium. Migrationsexperten halten die tatsächliche Wirkung wirtschaftlicher Pull-Faktoren allerdings für "deutlich überschätzt".
Merz forderte die Ampel zu Tempo auf. "Ich erwarte, dass Beschlüsse vor Jahresende im Bundestag eingebracht und beschlossen werden, sodass die letzte Bundesrats-Sitzung im Dezember erreicht werden kann". Es drohe, dass die Vereinbarungen durch die Ampel-Fraktionen wieder aufgeweicht würden. So meldete Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge Vorbehalte mit Blick auf die Absicht an, dass Asylbewerber während noch laufender Asylverfahren frühestens nach 36 statt wie bisher nach 18 Monaten Leistungen analog zum Bürgergeld erhalten sollen. Dies unterliege Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts: "Deswegen werden wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens prüfen, inwieweit die neuen Vorschläge dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden."
Debatte in der Ampel hinkt ein Jahr hinterher
Merz und Wüst kritisierten unter anderem, dass keine Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten beschlossen worden sei, sondern nur eine Beschleunigung der Verwaltungsverfahren für Antragssteller aus Ländern mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent. Dafür brauche es aber eine gesetzliche Basis, betonten beide. Der NRW-Ministerpräsident warf der Bundesregierung zudem vor, viel zu langsam zu reagieren. Seit Monaten sei klar, dass die Kommunen vor erheblichen Problemen bei der Flüchtlingsversorgung stünden. "Aber das kommt hier immer erst zeitverzögert an in Berlin." Die Debatte in der Ampel-Regierung hinke ein Jahr hinter der Lage hinterher.
Die CDU-Politiker wiesen den Vorwurf zurück, sie würden die Ergebnisse zwischen den Bundesländern und der Regierung schlechtreden und damit der AfD in die Hände spielen. Man sei überzeugt, dass es zusätzliche Maßnahmen brauche, betonte Wüst. "Selbst mit allen Maßnahmen, die wir vorgeschlagen haben, gibt es keine Garantie, dass es wirklich wirkt", sagte CDU-Chef Merz mit Blick auf das 26-Punkte-Forderungspapier, das er Kanzler Scholz übergeben hatte und das über die Vereinbarungen mit den Ländern hinausgeht.
Quelle: ntv.de, tno/rts/dpa