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Warnung vor Putins Imperialismus Militärexperte: Deutscher Kampfeinsatz an NATO-Grenze möglich

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Eine Panzerhaubitze der Bundeswehr bei einer Übung in Litauen.

Eine Panzerhaubitze der Bundeswehr bei einer Übung in Litauen.

(Foto: IMAGO/photothek)

Der Militärhistoriker Neitzel befürchtet das Schlimmste. Es könnte sein, dass Deutsche schon bald gegen russische Truppen kämpfen müssten. Kremlchef Putin wolle "das Imperium wiederherstellen". Die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr müsse schnell verbessert werden.

Der Militärhistoriker Sönke Neitzel hält es für möglich, dass die Bundeswehr schon bald gegen russische Truppen in den Krieg ziehen muss. "Wir können nicht ausschließen, dass deutsche Soldaten in wenigen Jahren kämpfen müssen, um NATO-Gebiet zu verteidigen", sagte er im Interview mit dem "Spiegel".

Russlands Präsident Wladimir Putin wolle "die NATO-Osterweiterung rückgängig machen und das Imperium wiederherstellen", warnte Neitzel. Dieser "imperiale Anspruch Moskaus" gehe "mit einer großen Opferbereitschaft" in der russischen Gesellschaft einher. Daher müsse Verteidigungsminister Boris Pistorius die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr rasch verbessern. "Pistorius muss die Bundeswehr so aufstellen, dass sie in fünf Jahren kämpfen kann", forderte der an der Universität Potsdam lehrende Historiker.

Die Absicht der Bundesregierung, bis 2027 eine Kampfbrigade dauerhaft in Litauen zu stationieren, sei richtig. "Litauens Heer besteht nur aus rund 15.000 Männern und Frauen, es hat keinen einzigen Kampfpanzer. Im Falle eines russischen Angriffs sollten wir nicht erst alle Truppen an die Front bringen müssen", so Neitzel. Er nahm Verteidigungsminister Pistorius in Schutz, der für seine Forderung kritisiert worden war, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden. "Er muss der Bevölkerung klarmachen, dass es an der NATO-Ostflanke zum Krieg kommen kann. Und dass dies dann nicht nur das Problem von ein paar Soldaten wäre." Betroffen wäre die gesamte deutsche Gesellschaft.

Auf die Schutzmacht USA kann sich Deutschland laut Neitzel nicht mehr vorbehaltlos verlassen. "Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Trump die US-Präsidentschaftswahl 2024 gewinnt. Dann kann es sein, dass der Artikel 5 im NATO-Vertrag - die Beistandspflicht im Falle eines Angriffs - zumindest aufgeweicht wird. Putin könnte sich ermuntert fühlen, eine weitere Grenze zu überschreiten", warnte Neitzel. "Wir wissen nicht, was kommt, aber wir müssen auf alles gefasst sein", riet er.

Neitzel beklagt Unaufrichtigkeit

Neitzel wirft dem Verteidigungsministerium und dem Bundestag auch einen unaufrichtigen Umgang mit den Soldaten vor. "Wir erwarten von unseren Soldaten, dass sie kriegstüchtig werden. Aber auf der Webseite des Verteidigungsministeriums hat man sich bislang nicht getraut, die Namen der Träger des Ehrenkreuzes für Tapferkeit zu nennen", sagte er weiter dem "Spiegel". "Auch der Verteidigungsausschuss des Bundestags hätte in seinen Räumen eine Plakette mit den Namen aufhängen können - will er nicht", so Neitzel. "Politiker schicken Soldaten in lebensgefährliche Einsätze, führen Tapferkeitsauszeichnungen ein, trauen sich dann aber nicht, die Geehrten zu nennen."

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Er wolle Soldaten nicht glorifizieren, so Neitzel. "Wir können die Bundeswehr auch abschaffen. Wenn wir aber weiterhin irrsinnig viel Geld für sie ausgeben, müssen wir ihren Auftrag anerkennen. Der Wesenskern des Soldatenberufs - der Kampf - muss raus aus der Tabuzone."

Auch die Spitzen der Bundeswehr hätten ein verdruckstes Verhältnis zum Soldatenberuf. "Seit zwei Jahren gibt es ein Liederbuch der Bundeswehr als App. Gut gemacht, historisch überprüft. Dennoch ist es nicht veröffentlicht worden", sagte Neitzel. Offenbar aus Angst, "wieder eine Diskussion um Traditionen loszutreten". Zugleich weigere sich die Bundeswehrführung, neue Lieder zu verfassen, etwa über den Einsatz in Afghanistan. Dabei seien solche Lieder nötig, so Neitzel, um eine soldatische Identität zu stiften. "Das Heer will jetzt Soldaten für Litauen gewinnen. Da muss doch als Erstes ein Wappen her, da muss es Rituale geben, ein Lied über diese besondere Aufgabe", forderte er. Neitzel kritisierte: "Es ist bizarr: Die Bundeswehr schickt ihre Soldaten in womöglich tödliche Einsätze, traut sich aber nicht an ein Liederbuch."

Quelle: ntv.de, ghö

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