Der Programmcheck Mit Linken und Grünen passt's am besten
26.06.2017, 14:01 Uhr
Theoretisch viele Optionen, aber zurzeit keine rosige Perspektive: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz.
(Foto: imago/photothek)
Die SPD hat ihr Regierungsprogramm verabschiedet. Der Vergleich mit den anderen Parteien zeigt: Ginge es nach den Inhalten, müssten die Sozialdemokraten eine Koalition anstreben, die viele schon abgeschrieben haben.
Begeisterung klingt anders. "Der Parteitag ist der Endpunkt einer großen Desillusionierung", sagte Sahra Wagenknecht nach dem Treffen in Dortmund, bei dem die SPD am Wochenende ihr Regierungsprogramm verabschiedet hatte. Was steht drin? Was bedeutet das Programm für mögliche Koalitionen nach der Wahl? Und mit welchen Parteien gibt es die größten Schnittmengen? n-tv.de vergleicht die wichtigsten Punkte des SPD-Programms mit den Forderungen der anderen Parteien.
Thema Steuern: Die SPD will Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Der Solidaritätszuschlag soll ab 2020 nicht für alle entfallen, sondern zunächst für Personen mit einem Einkommen von bis zu 52.000 Euro. Das Steuerkonzept von Kanzlerkandidat Martin Schulz wurde von allen Parteien kritisiert. Auch von den Grünen, die kleinere und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags ebenfalls entlasten und den Spitzensteuersatz anheben wollen. Union und FDP wollen den Soli für alle gleichzeitig abschaffen. Die Linken beklagen, dass die Sozialdemokraten in ihrem Programm auf die Forderung nach einer Vermögenssteuer verzichtet haben. Sie fordern einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent für Einkommen ab 70.000 Euro und eine Reichensteuer von 60 Prozent ab 260.000 Euro.
Dennoch dürfte die Steuerpolitik der SPD für die Linken fast noch am ehesten anschlussfähig sein, die eine Umverteilung von oben nach unten fordern und Gutverdiener stärker belasten. Die SPD ist sich mit den Linken zwar nicht völlig einig, die Übereinstimmungen sind aber etwas größer als mit der Union oder der FDP. Die wollen eher nach dem Gießkannenprinzip entlasten, also alle gleichermaßen, wovon Gutverdiener naturgemäß stärker profitieren.
Rente: SPD-Kanzlerkandidat Schulz will das Rentenniveau bis 2030 stabil bei 48 Prozent halten, der Beitragssatz soll nicht über 22 Prozent steigen und das Renteneintrittsalter nicht weiter angehoben werden. Die Union kritisiert die hohen Kosten der SPD-Pläne. Bei CDU und CSU gibt es Forderungen, das Renteneintrittsalter sogar auf 70 zu erhöhen. Die Linken lehnen dies ab. Sie wollen das Rentenniveau, das laut Prognosen bis 2030 auf 43 Prozent absinken könnte, auf 53 Prozent anheben, fordern die abschlagsfreie Rente ab 65 und eine solidarische Mindestrente von 1050 Euro. Beim Thema Rente liegen die Parteien weit auseinander.
Arbeit: Die SPD will die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen abschaffen und Teilzeitbeschäftigten die Rückkehr in Vollzeit erleichtern - das wollen auch Grüne und Linke. Parallelen gibt es auch im Hinblick auf die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I. Dennoch gehen vor allem den Linken die Forderungen der SPD nicht weit genug. Sie fordern eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro, die Hartz-IV-Sätze wollen sie durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1050 Euro ersetzen. In der Arbeits- und Sozialpolitik dürfte die SPD Union und Liberalen daher näher sein als den Linken.
Gesundheit: Die Sozialdemokraten sprechen sich in ihrem Wahlprogramm für die Einführung einer Bürgerversicherung aus, in die alle Menschen einzahlen sollen, und für eine Beendigung einer "Zwei-Klassen-Medizin". Auch die Grünen und die Linken werben für die Bürgerversicherung, Union und FDP sind dagegen.
Familie: Schulz hat am Sonntag angekündigt, dass er keinen Koalitionsvertrag ohne die Ehe für alle unterschreiben werde. In der Großen Koalition konnte die SPD dies gegen die Union bisher nicht durchsetzen. Grüne, Linke und zuletzt auch die FDP sprechen sich jedoch allesamt für die Öffnung der Ehe für alle aus. Bei Rot-Rot-Grün geht es familienpolitisch insgesamt in eine ähnliche Richtung: Die Parteien verlangen die schrittweise (SPD) beziehungsweise sofortige (Linke) Abschaffung der Kitagebühren. Die Linken gehen noch etwas weiter. Sie wollen das Kindergeld erhöhen. Die SPD will die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit einer Familienarbeitszeit und einem Familiengeld fördern.
Außenpolitik: Die Sozialdemokraten bekennen sich wie Union, FDP und Grüne klar zu den Mitgliedschaften der Bundesrepublik in EU und Nato. Während CDU und CSU die Erhöhung der Verteidigungsausgaben und das Zwei-Prozent-Ziel der Nato befürworten, lehnen SPD, Grüne und Linke dies ab. Dennoch gibt es außenpolitisch vor allem ein großes Hindernis zwischen den drei Parteien: Die Linken fordern die Auflösung der Nato. Die Differenzen beim Thema Waffenexporte, die alle drei im Prinzip ablehnen, und beim Thema Auslandseinsätze sind möglicherweise eher überbrückbar. Bei der SPD stehen Friedenssicherung und Konfliktlösungen im Mittelpunkt der Außenpolitik. Die Linken haben den Verzicht auf Kampfeinsätze zur Bedingung einer Koalition gemacht. Bei einem Punkt sind sich die drei Parteien am Wochenende etwas näher gekommen: Nach Grünen und Linken hat sich auch die SPD gegen Abschiebungen nach Afghanistan ausgesprochen.
Fazit: Die SPD steht Grünen und Linken bei vielen Themen näher als Union oder FDP. Inhaltlich hätte Rot-Rot-Grün mehr Schnittmengen als eine Ampel und auch als eine erneute Große Koalition. Teile der SPD befürworten ein Bündnis mit Grünen und Linken nach der Wahl. Schulz hat dies bisher zwar nicht ausgeschlossen, zuletzt äußerten sich Vertreter aus der SPD-Spitze aber weit zurückhaltender zum Thema Rot-Rot-Grün. Auch in den Umfragen hat diese Konstellation zurzeit keine Mehrheit mehr.
Bei der Regierungsbildung wird aber vermutlich nicht allein das Programm ausschlaggebend sein. Eine Große Koalition oder eine Ampel könnten für die SPD am Ende einfacher sein, weil Union und FDP mehr Regierungserfahrung haben und eine größere Bereitschaft zu Kompromissen mitbringen als die Linken. Nur: Mit Werten zwischen 23 und 25 Prozent steht die Partei von Martin Schulz zurzeit nicht besonders gut da. Sollte sich das bis zur Wahl nicht deutlich bessern, werden die Sozialdemokraten kaum in der komfortablen Situation sein, sich den Koalitionspartner aussuchen zu können.
Quelle: ntv.de