Politik

Spuren ins rechte Milieu vernachlässigt NSU-Ermittler heillos zerstritten

Mit einem zynischen Video brüsteten sich die NSU-Terroristen ihrer Taten.

Mit einem zynischen Video brüsteten sich die NSU-Terroristen ihrer Taten.

(Foto: dpa)

Die Ermittler von Bund und Ländern im Fall der Morde der rechtsextremen NSU haben sich laut neu aufgetauchten Dokumenten gegenseitig blockiert und gestritten wo es nur geht. Von "Familienkrach" ist die Rede. Schlimmer noch als die Zankereien selbst: Durch die Spannungen lassen die Behörden über Jahre Spuren in die rechte Szene außer Acht.

Interne Unterlagen werfen ein neues – und erneut negatives – Licht auf die Ermittlungen um die Morde der Zwickauer Zelle. Nach den der "Süddeutschen Zeitung" vorliegenden Dokumenten sollen die Kriminalbeamten des Bundes und der Länder zeitweise heillos zerstritten gewesen sein. Sie hatten sich in der bis zu 160 Beamten starken Sonderkommission "Bosporus" zusammengetan, um die zwischen 2000 und 2006 an neun Migranten verübten Morde aufzuklären.

Laut "SZ" hatten sich die Streitigkeiten an der These entzündet, die viele Kriminalbeamte bis zum Ende der Zwickauer Terrorzelle im November 2011 favorisiert hatten: Hinter der Mordserie steckten Drahtzieher aus dem kriminellen Milieu, glaubte die Mehrzahl der Ermittler. Eine kriminelle Organisation, in der ein sehr rigider Ehrenkodex herrsche, habe die vorwiegend türkischen Opfer bestrafen wollen.

Versöhnungstreffen für den Schein

Ein bayerischer Fallanalytiker, der mit seiner alternativen Theorie im Nachhinein betrachtet voll ins Schwarze getroffen hatte, wurde regelrecht abgekanzelt. Er glaubte, dass es sich nicht um einen Fall aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, sondern um einen Serientäter handeln könne, der möglicherweise der rechten Szene zuzuordnen sei.

Es seien, so belegen des die vorliegenden Dokumente, unter den Ermittlern heftigste Kontroversen entbrannt. In den Akten ist von "Familienkrach" und von "Familienstreitigkeiten" die Rede, die beigelegt werden müssten. Es gab Versöhnungstreffen um, nach außen zumindest, die Kontroversen zu verdecken. Wegen anderer Streitigkeiten um die Präsentation der wahrscheinlichen Tatwaffe schied das BKA aus einer Steuerungsgruppe aus und führte die Waffenermittlungen allein.

Bundesanwälte auf Zeitungen angewiesen

Die Unterlagen lassen laut "SZ" zudem den Schluss zu, dass die Bundesanwaltschaft von den Ländern fast systematisch aus dem Verfahren herausgehalten wurde. Nach dem Untertauchen der späteren Terrorzelle im Januar 1998 hatte die Karlsruher Behörde in Thüringen nachgefragt, ob die Voraussetzungen für eine Übernahme des Verfahrens vorlägen. Die Thüringer hatten das damals verneint. Es handele sich nicht um eine Gruppe mit festen Strukturen, sondern um Einzeltäter.

Als dann neun Migranten ermordet worden waren, konnten die Bundesanwälte nur anhand von Zeitungsartikeln prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Übernahme jetzt gegeben seien. Akten der beteiligten Staatsanwaltschaften standen ihnen dabei, wie ein interner "Prüfvorgang" zeigt, nicht zur Verfügung. Eine der beteiligten Strafverfolgungsbehörden hatte bei einer internen Sitzung gewarnt, "bei allzu heftiger Diskussion" über die Hypothese Fremdenhass könnte dann "auch eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts greifen".

Quelle: ntv.de, jog

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