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Sauer zur Sicherheitskonferenz "Putin wird den Tölpel Trump an der Nase durch die Manege führen"

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Der Vizepräsident der USA, J.D. Vance, bei seiner Ankunft am Donnerstag in München.

Der Vizepräsident der USA, J.D. Vance, bei seiner Ankunft am Donnerstag in München.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Ab heute treffen sich Staatschefs, Ministerinnen, Diplomaten aus allen Ecken der Welt, um in München die politische Weltlage zu diskutieren. Die hat am Mittwoch aus europäischer Sicht einen gehörigen Stoß abbekommen. Sicherheitsexperte Frank Sauer, Co-Host des Podcasts "Sicherheitshalber", skizziert, was die Konferenz leisten kann und wovor man sich sorgen muss.

ntv.de: Fällt die Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Jahr in eine Welt im Umbruch? Vor ihr lagen markanteste Ereignisse: US-Präsident Donald Trump telefonierte mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin. Sein Verteidigungsminister Pete Hegseth skizzierte die Zukunft der Ukraine. In welcher Lage startet die Münchner Sicherheitskonferenz?

Frank Sauer: Für uns in Westeuropa war der vergangene Mittwoch die Vorstufe zum sicherheitspolitischen Super-GAU und für die Ukraine eine Katastrophe. Das Telefonat zwischen Trump und Putin lässt befürchten, dass eine Lösung über die Köpfe der Ukraine und der EU hinweg gefunden werden soll. Das ist genau das, was Putin schon immer wollte. Augenhöhe mit den USA und das Durchsetzen seiner imperialen Machtansprüche in Europa.

Sie sagen, "schon immer"?

Ja. Man denke nur an Putins größenwahnsinnige "Vertragsentwürfe" vom Winter 2021, kurz vor der Vollinvasion.

Darin forderte Russland unter anderem den Rückzug aller Nato-Truppen auf die Positionen von 1997, also vor der Osterweiterung.

Putin wollte damit kurzerhand die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur zurückbauen. An den vermeintlichen Deal-Maker Trump glaubt in dem Zusammenhang hoffentlich niemand mehr. 2018, als sich Putin und Trump zum Gipfel in Helsinki trafen, konnte man live mit ansehen, wie der Kreml-Chef den Tölpel Trump an der Nase durch die Manege führte. Im Vorfeld des Treffens nannte er Ermittlungen wegen der russischen Einflussnahme auf die US-Wahlen von 2016 eine "Hexenjagd" - und Russland stimmte fröhlich zu. Genau so wird es wieder kommen. Auf Kosten der Ukraine und auf Kosten der Sicherheit von uns Europäerinnen und Europäern.

Frank Sauer forscht an der Universität der Bundeswehr in München und ist Experte für Sicherheitspolitik, über die er im renommierten Podcast "Sicherheitshalber" diskutiert.

Frank Sauer forscht an der Universität der Bundeswehr in München und ist Experte für Sicherheitspolitik, über die er im renommierten Podcast "Sicherheitshalber" diskutiert.

Für Sie gehen die Ankündigungen deutlich über das Schicksal der Ukraine hinaus?

Mit der Rede von Pete Hegseth am Mittwoch haben sich die USA als primärer Sicherheitsgarant aus Europa verabschiedet. Ich habe mir die Rede sehr genau angeschaut. Man kann sie durchaus so lesen, dass damit perspektivisch auch die nukleare Teilhabe infrage gestellt wird.

Was bedeutet das konkret für die Ukraine und Europa?

Ohne US-Sicherheitsgarantien und im Licht der europäischen Schwäche bleibt der Ukraine nur, sich selbst so gut zu schützen wie möglich. Ich habe schon im ersten Kriegsjahr die Befürchtung geäußert, dass das in der Ukraine und vielleicht auch anderen osteuropäischen Staaten mit dem Gedanken an eigene Nuklearwaffen einhergehen wird. Und hier in Westeuropa wird diese ohnehin ja schon eine Weile schwelende Diskussion bald richtig laut werden.

Sind die Zeiten vorbei, in denen sich die USA mit Europa vor allem auch über gemeinsame Werte verbunden fühlten?

Ja. Trump, Musk und Trumps "Make America Great Again"-Bewegung teilen unsere Werte nicht. Wir können gerade Tag für Tag beobachten, wie die Demokratie in den USA demontiert wird. Wertepartner, Verbündete, Freunde in Europa, das alles ist Trump egal. Er denkt nicht in diesen Kategorien. Trump wird vielmehr vermehrt versuchen, uns noch mehr zu spalten. So wie Putin es schon länger praktiziert. Es ging ja schon so weit, dass Trump Dänemark in Sachen Grönland Gewalt angedroht hat. Früher dachte man, wenn innerhalb der Nato zwei Länder mal so richtig gefährlich aneinander geraten sollten, dann würden das die Türkei und Griechenland sein. Dass nun die USA dabei sind, zeigt, wie ernst die Lage ist.

Wie problematisch ist die Entwicklung für die USA selbst?

Für die Vereinigten Staaten ist das tragisch, und zwar in historischem Ausmaß. Denn die Stärken der USA waren nicht nur die US-Wirtschaft, sondern die Rolle in der Welt als Demokratie, samt der Irrungen und Schattenseiten, sowie vor allem ihre Allianzen. Washington hatte Partner und Freunde in allen Himmelsrichtungen, so weit man aus dem Weißen Haus in die Welt blicken konnte. Mal sehen, wie viel davon übrig ist, wenn Trump sein Werk "America first" vollendet hat, also welche Staaten zu wie vielen Konzessionen bereit sind.

Die Frage wird man sich unter europäischen Staatschefs wohl auch in München stellen, oder?

Aus europäischer Sicht ist vor allem ärgerlich, wie kalt es uns erwischt. Zahllose Sicherheitsexpertinnen und -experten mahnen seit Jahren. Es war klar, dass wir mehr für unsere eigene Sicherheit tun müssen. Es war klar, dass Trump wieder gewählt werden könnte. Es ist klar, dass Trump auch bald ganz offiziell und endgültig die Axt an die Sicherheitsgarantien aus Artikel 5 des Nato-Vertrags legen könnte. Die Lage wird jeden Tag kritischer. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere die realitätsfernen Diskussionen in Deutschland, man denke an den aktuellen Wahlkampf, nur noch mit kompletter Fassungslosigkeit zu betrachten.

Wenn Trump in Kosten-Nutzen-Kategorien denkt, was ist das Pfund, mit dem europäische Vertreter mit Blick auf US-Engagement für die Ukraine vielleicht wuchern könnten in all den Hintergrund-Gesprächen an diesem Wochenende?

Es stimmt: Trump ist Transaktionalist und denkt in Kosten-Nutzen-Kategorien. Es wäre aber zu bequem, sich einzureden, dass er gänzlich berechenbar und somit auch manipulierbar ist. Denn das stimmt eben nur zum Teil. Wir dachten ja eine Weile lang, dass schon alles irgendwie gut wird, wenn wir die vereinbarten zwei Prozent zahlen. Tja, falsch gedacht, jetzt will Trump fünf Prozent. Er ist immer auch ein Agent des Chaos. Das wissen wir aus einer ersten Amtszeit. Ich kann verstehen, dass viele jetzt auf Dealmaking setzen, auf gezieltes Entgegenkommen in bestimmten Bereichen. Lieber etwas mehr amerikanisches LNG kaufen als den großen Knall riskieren, so wird da argumentiert. Ich verstehe das.

Aber sehen Sie auch eine Chance darin?

Einen Versuch ist es wert. Aber Trump heißt am Ende für uns schlicht: Die USA sind kein verlässlicher Partner mehr. Ökonomisch sind wir aktuell auf Konfrontationskurs. Und wenn die US-Demokratie wirklich gänzlich fallen sollte und die sicherheitspolitischen Verflechtungen gelöst werden, dann haben wir es plötzlich auf der anderen Seite des Atlantiks nicht mehr mit einem Partner, sondern mit einem zweiten systemischen Rivalen zu tun. Zusätzlich zu China. Und zusätzlich zu einem Russland, das Appetit beim Essen bekommen hat und sich in den kommenden Jahren häppchenweise noch ein paar mehr Stücke aus Europa herausbeißen will.

Was ist von der Münchner Sicherheitskonferenz zu erwarten, was kann die Konferenz in dieser Situation leisten?

Ich hoffe, dass die Münchner Sicherheitskonferenz Schadensbegrenzung ermöglicht. Aber die Entwicklung der letzten Jahre in Kombination mit Mittwoch lässt keine allzu große Hoffnung aufkommen. Die erste Münchner Konferenz nach der russischen Vollinvasion, vor zwei Jahren, wurde als transatlantisches Liebesfest beschrieben. Nach dem russischen Angriff war klar, wie sich das alles in das transatlantische Koordinatensystem einfügt. Und vor allem hatte die Ukraine sich zunächst erfolgreich gewehrt. Aber es hat ja seinen Grund, dass Biden stets als der letzte transatlantische Präsident beschrieben wurde.

Schon letztes Jahr war die Stimmung deutlich gedrückter.

Weil auch die Sicherheitslage der Ukraine letztes Jahr schon schlecht war. Die Unterstützung bröckelte, und es war klar, dass die transatlantische Ausrichtung von früher vorbei ist. Ich will nicht spekulieren. Die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance in München dürfte sehr interessant werden, so viel ist sicher. Einige befürchten die Ankündigung von Zöllen. Vielleicht platzt auch die nächste große sicherheitspolitische Bombe. Aber selbst, wenn der große Krach ausbleibt - es wird ein deprimierendes Wochenende.

Mit Frank Sauer sprach Frauke Niemeyer

Quelle: ntv.de

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