Ende der UN-Mission Nepal stürzt ins politische Chaos
14.01.2011, 12:30 Uhr
Der Friedensprozess in Nepal könnte nach dem Abzug der UN scheitern.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Nach Ende des zehnjährigen Bürgerkrieges mit den Maoisten waren die Hoffnungen auf Demokratie groß. Doch wenn am 15. Januar das Mandat der UN-Mission in Nepal (Unmin) ausläuft, bleibt ein Land im politischen Chaos zurück.
Ende 2006 schien der Durchbruch geschafft: Nach einem Jahrzehnt Bürgerkrieg unterzeichneten die Maoisten und die Regierung in Nepal einen Friedensvertrag. Die Aufständischen willigten ein, ihre Waffen und Kämpfer unter die Aufsicht der Vereinten Nationen zu stellen und sich am demokratischen Prozess zu beteiligen. Inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt. Nach vier Jahren packen die Mitarbeiter der UN-Mission in Nepal (Unmin) ihre Koffer, ihre Arbeit endet in dem Himalaja-Staat. Sie lassen ein Land zurück, in dem der Friedensprozess längst wieder gefährdet ist.
Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als gehe es in Nepal voran. Ende 2007 beschloss das Parlament die Abschaffung der Monarchie, im Mai 2008 wurde das Land zur jüngsten Republik der Welt. Mit der Abdankung des auch im Volk ungeliebten Königs Gyanendra hatten die Maoisten eines ihrer Kernziele erreicht. Bereits im April 2008 fanden friedliche Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung statt, aus denen die ehemaligen Aufständischen als stärkste Kraft hervorgingen. Maoisten-Anführer Pushpa Kamal Dahal - während des Bürgerkriegs unter seinem Kampfnamen Prachanda bekannt - wurde Premierminister.
Kein neuer Premier in Sicht
Doch dann versank Nepal zunehmend im politischen Chaos. Im Mai 2009 legte Dahal sein Amt aus Protest dagegen nieder, dass Präsident Ram Baran Yadav sich weigerte, den Armeechef zu entlassen. Die Maoisten verließen die Regierung. Polit-Veteran Madhav Kumar Nepal von den gemäßigten Vereinigten Marxisten-Leninisten (UML) wurde Premierminister, doch auch er blieb ohne Glück: Unter dem Druck der Maoisten trat er Ende Juni vergangenen Jahres zurück.

Unmin wird oft für die politischen Missstände des Landes verantwortlich gemacht.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Seither hat Nepal eine Übergangs-Regierung, weil es dem Parlament in 16 Wahlrunden nicht gelungen ist, einen neuen Premier zu bestimmen. Auch die neue Verfassung - sie sollte bis Mai vergangenen Jahres stehen - ist noch nicht geschrieben. In zahlreichen wichtigen Fragen herrscht Uneinigkeit. Eigentlich soll die Verfassung am 28. Mai verkündet werden, doch vieles deutet inzwischen darauf hin, dass auch die neue Frist ergebnislos verstreichen wird.
Friedensprozess vor dem Scheitern
Unmins eng gefasstes Mandat sah vor allem die Überwachung der Waffen und Kämpfer der Maoisten, aber auch der nepalesischen Armee vor. Unklar ist, wer den Job nach dem Abzug übernehmen soll. Die Maoisten fordern, dass ein noch zu bestimmendes nepalesisches Gremium weiterhin sowohl die ehemaligen Aufständischen als auch die Armee weiter überwachen soll. Andere große Parteien wollen die Streitkräfte von der Beobachtung ausnehmen. Maoisten-Chef Dahal sagte vor wenigen Tagen: "Wenn das Ihr Standpunkt ist, dann können Sie den Friedensprozess als gescheitert betrachten."
Die 19.000 maoistischen Kombattanten sind seit dem Ende der Gewalt kaserniert, eigentlich sollte ihnen die Möglichkeit offen stehen, in die nepalesischen Sicherheitskräfte eingegliedert zu werden. Doch auch darüber, wie das geschehen soll, gibt es zwischen den früheren Aufständischen, die inzwischen als Vereinte Kommunistische Partei Nepals - Maoisten (UCPN-M) firmieren, und den anderen großen Parteien erbitterten Streit.
Unmin als Sündenbock
Unmin wurde in Nepal immer wieder für die drängenden Probleme verantwortlich gemacht, obwohl deren Lösung nicht den Vereinten Nationen, sondern den Parteien obliegen würde. Die allerdings verwenden den Großteil ihrer Energie darauf, sich gegenseitig zu blockieren. "Die Mission ist wiederholt für Angelegenheiten zum Sündenbock gemacht worden, die außerhalb ihres Mandats liegen", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im vergangenen September in seinem Bericht an den Weltsicherheitsrat in New York. "Ich bin nicht für eine wiederholte Verlängerung des Mandats der Mission in einer Atmosphäre anhaltender und unbegründeter Kritik, die ihre Funktionsfähigkeit verkompliziert."
Vor dem Ende der Mission meinte Ban Ende vergangenen Monats: "Es ist ziemlich deutlich geworden, dass es wenig sinnvoll ist, Unmin ohne irgendwelchen bedeutsamen Fortschritt der Parteien bei politischen Themen kontinuierlich zu verlängern." Einen Tag nach dem Mandatsende wird Unmin-Chefin Karin Landgren Kathmandu verlassen. Vor ihrer Abreise warnte sie in ihrem letzten Bericht an den Sicherheitsrat vor einem "echten Risiko, dass das Scheitern des Friedensprozesses zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird".
Quelle: ntv.de, Can Merey, dpa