"Wir haben Fotos" Neue Verhaftungswelle in Birma
03.10.2007, 10:20 UhrNach dem gewaltsamen Vorgehen gegen friedliche Demonstranten in Birma setzt die Militärjunta ihre Einschüchterungstaktik fort. Militärpolizisten fuhren am Mittwochmorgen durch die Straßen von Rangun und drohten über Lautsprecher mit der Festnahme von Regimegegnern: "Wir haben Fotos. Wir werden Verhaftungen vornehmen."
Unterdessen berichtete ein desertierter Major der birmanischen Armee, dass er mit seiner Einheit in Birmas größter Stadt Rangun den Befehl zum Schusswaffeneinsatz gegen Mönche und andere Demonstranten erhalten hatte. Er sei unmittelbar nach der Befehlsverweigerung nach Thailand geflüchtet. Auf dem Weg sei gerüchteweise von 200 Toten bei den Protesten in mehreren birmanischen Städten die Rede gewesen.
Diese Zahl verbreitete auch der in Oslo ansässige Exilsender Democratic Voice of Burma. Nach offiziellen Angaben sollen zehn Menschen ums Leben gekommen sein.
"Was ist mit den Mönchen geschehen?"
Bewohner in der Umgebung der Schwedagon-Pagode berichteten, dass die Polizei in der Nacht einige Dutzend Häuser durchsucht und mehrere Männer festgenommen habe. "Sie gehen in die Häuser und nehmen Leute mit", sagte auch die amtierende US-Botschafterin in Birma, Shari Villarosa. Mitarbeiter der Botschaft hätten mehrere Klöster aufgesucht und festgestellt, dass sie völlig menschenleer seien. Einige seien von Soldaten abgeriegelt gewesen. "Es gibt wesentlich weniger Mönche auf den Straßen", sagte Villarosa. "Was ist mit ihnen geschehen?"
Bei den nächtlichen Festnahmen ging die Polizei offenbar rigoros vor: In einem Haus nahe der Shwedagon-Pagode, dem Ausgangspunkt der Massenproteste gegen das Regime, blieb nur ein 13-jähriges Mädchen zurück. Ihre Eltern seien in der Dunkelheit verschwunden, sagte das Kind.
"Wir haben Angst zu hoffen"
Eine 29-jährige Sprachlehrerin sagte in Rangun, sie glaube nicht, dass die Protestbewegung bereits völlig zerschlagen sei. "Es gibt Hoffnung, aber wir haben Angst zu hoffen. Wir träumen immer noch davon, unsere Kinder in einem Land aufzuziehen, in dem jeder gleiche Chancen hat." Viele Bewohner von Rangun entwickelten unterdessen eine neue Form des Protests: Während der abendlichen Nachrichtensendung im staatlichen Fernsehen schalteten sie Fernsehgeräte und das Licht aus.
Der UN-Gesandte für Birma, Ibrahim Gambari, beendete am Dienstag seine viertägigen Gespräche in dem südostasiatischen Land und flog nach New York zurück. An seinem letzten Tag wurde er nach wiederholten Bitten zu einem Treffen mit Juntachef General Than Shwe vorgelassen. Die Begegnung fand am neuen Regierungssitz in der Dschungelstadt Naypyitaw statt. Anschließend flog Gambari nach Rangun, um ein zweites Mal mit Suu Kyi zu sprechen. Dieses zuvor nicht angekündigte Treffen in einem Gästehaus der Regierung weckte Hoffnungen, dass Gambari mit seiner Pendeldiplomatie einige Fortschritte erzielen konnte. "Dies ist ein sehr positives Zeichen", sagte ein asiatischer Diplomat. "Wir haben Anlass zur Hoffnung, dass die Suche nach einem nationalen Versöhnungsprozess begonnen hat."
Vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen wandte sich der birmanische Außenminister Nyan Win gegen ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes, das von der Militärjunta in Myanmar umbenannt wurde. Die Sicherheitskräfte hätten mit Zurückhaltung reagiert, "um die Situation wiederherzustellen".
Quelle: ntv.de