Politik

Der Kriegstag im Überblick Niederlande sagen Kiew weitere Waffen zu - Russland drückt aufs Tempo bei Einbürgerungen

Der niederländische Premierminister Mark Rutte besuchte das Land zum ersten Mal seit Beginn der russischen Invasion im Februar.

Der niederländische Premierminister Mark Rutte besuchte das Land zum ersten Mal seit Beginn der russischen Invasion im Februar.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Die Ukraine plant eine eigene Offensive und befürchtet gleichzeitig eine weitere von den Russen. Aus den Niederlanden kommen Zusagen für weitere Waffen. Ein deutscher Oberst a. D. zweifelt unabhängig von westlicher Hilfe an der Schlagkraft der Ukraine. Russland stellt indessen die Weichen für mehr Einbürgerungen von Ukrainern - was der Ukraine ein Dorn im Auge ist. Außerdem laufen seit dem Morgen die Wartungsarbeiten an Nord Stream 1, kein Gas fließt mehr durch die Pipeline. Der 137. Kriegstag im Überblick.

Ukraine befürchtet noch heftigere Offensive

Nach einem Raketenangriff auf den Ort Tschassiw Jar im ostukrainischen Gebiet Donezk ist die Zahl der aus einem zerstörten Wohnhaus geborgenen Toten auf mehr als 30 gestiegen. Der ukrainische Zivilschutz sprach von insgesamt 31 gefundenen Leichen. Nach diesem und weiteren tödlichen Raketenangriffen in der Donbass-Region befürchtet die Ukraine noch heftigere Offensiven von russischer Seite. Es gebe nach einer Pause der Angriffe russischer Bodentruppen "Hinweise" darauf, dass sich "feindliche Einheiten" darauf vorbereiteten, ihre Angriffe in Richtung der Städte Kramatorsk und Bachmut zu verstärken, erklärte der Generalstab der ukrainischen Armee. Gleichzeitig äußerte sich der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow zu eigenen Plänen einer Großoffensive zur Rückeroberung von Gebieten im Süden.

Der pro-russische Ortsvorsteher eines von russischen Truppen besetzten Dorfes in der ukrainischen Region Charkiw ist indessen bei einem Anschlag auf sein Auto getötet worden. Jewgeny Junakow aus der Ortschaft Welikij Burluk im Nordosten der Ukraine sei nach der Explosion einer Autobombe gestorben, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass. Die laut Tass vor kurzem gegründete pro-russische "militärische Zivilverwaltung" in der Region bezeichnete die Explosion als einen von ukrainischen Behörden verübten "Terroranschlag".

Waffenzusagen aus den Niederlanden

Nach Berichten über ukrainische Pläne zur Rückeroberung der besetzten Küstengebiete im Süden mit einer millionenstarken Truppe konnten die Ukrainer bei einem Besuch des niederländischen Premierministers Mark Rutte weitere Waffenzusagen verbuchen. "Es ist wichtig, dass wir hier jetzt helfen und dafür sorgen, dass die Ukraine sich selbst verteidigen kann", sagte Rutte in der ukrainischen Hauptstadt dem niederländischen TV-Sender NOS. "Es stoppt nicht." Die Niederlande haben der Ukraine nach eigenen Angaben bislang Waffen im Wert von knapp 173 Millionen Euro geliefert, darunter auch Panzerhaubitzen.

Oberst a.D. Ralph Thiele sieht im Interview mit ntv die Ukrainer weit hinter den Russen, was Waffensysteme angeht. "Wenn man die Entwicklung der Ukraine im Süden betrachtet, muss man dieses fundamentale Missverhältnis russischer Geschütze sehen, die etwa 1000 Artilleriegeschütze mehr als die Ukrainer haben." Der ukrainische Philosoph Vakhtang Kebuladze hingegen sieht in Mutmaßungen zu einer ukrainischen Unterlegenheit im Interview mit ntv.de den Beginn eines "böswilligen Zirkelschlusses". Richtig sei, dass die Ukraine Waffen brauche, um die Russen aufzuhalten.

Putin stellt Weichen für Einbürgerungen von Ukrainern

Menschen in der gesamten Ukraine sollen künftig in einem vereinfachten Verfahren die russische Staatsbürgerschaft erhalten können. Viereinhalb Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Nachbarland unterschrieb Russlands Präsident Wladimir Putin ein Dekret, das eine Ausweitung der bislang nur für die Ostukraine geltenden Regelung vorsieht. Die Vergabe russischer Pässe ist auch deshalb brisant, weil Russlands Militärdoktrin Einsätze rechtfertigt, wenn es um den vermeintlichen Schutz eigener Staatsangehöriger geht.

Die Regierung in Kiew verurteilte den von Moskau angekündigten erleichterten Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft für alle Ukrainer. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nannte den Vorstoß "einen weiteren Eingriff in die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine, der mit den Normen und Grundsätzen des Völkerrechts unvereinbar ist".

Gasfluss aus Nord Stream 1 ist unterbrochen

Gebannt schaut Deutschland in Richtung Lubmin an der vorpommerschen Ostseeküste. Seit dem heutigen Montagmorgen fließt wegen routinemäßiger Wartungsarbeiten durch die Pipeline Nord Stream 1 kein Erdgas mehr. Seit 6 Uhr werde der Gasfluss für die langfristig angekündigten Wartungsarbeiten heruntergefahren, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG. Entsprechende Arbeiten dauerten laut Betreiber in den vergangenen Jahren zwischen zehn und 14 Tagen. Sie wichen dabei aber auch teilweise von der angesetzten Frist ab. Es gibt jedoch Befürchtungen, dass Putin die Ostseepipeline nach Abschluss der Wartung nicht wieder hochfahren lässt.

Deutsche Regierung kontert Ukraine im Turbinen-Streit

Angesichts des Protestes der Ukraine gegen die geplante Lieferung der gewarteten russischen Nord-Stream-1-Turbine von Kanada hat die Bundesregierung darauf verwiesen, dies falle nicht unter EU-Sanktionen. Eine Regierungssprecherin sagte, man habe die Kritik der Ukraine zur Kenntnis genommen. Die EU-Sanktionen beträfen aber nicht den Gastransit. Dies sei auch aus gutem Grund so. Bei den Sanktionen gegen Russland sei ein entscheidendes Kriterium, dass diese der EU und Deutschland nicht mehr schaden sollen als Russland.

Auch in Österreich kommt weniger Gas an

Auch der österreichische Energiekonzern OMV hat nach dem Beginn der Wartungsarbeiten der Nord-Stream-Pipeline deutlich weniger Gas aus Russland bekommen - auch wenn das Land Berichten österreichischer Medien zufolge vorwiegend über ein anderes Leitungssystem beliefert wird. Der Konzern müsse mit einem Minus von 70 Prozent im Vergleich zur bestellten Menge rechnen, teilte ein OMV-Sprecher mit. Schon in den vergangenen Wochen hatte die OMV teils erheblich weniger Gas als geordert aus Russland bekommen. Dennoch reichen nach Angaben der Regulierungsbehörde E-Control die auch auf anderen Märkten gekauften Mengen, um die Versorgungssicherheit Österreichs aktuell zu sichern.

Lindner mit Brandbrief-Schelte an Lambrecht

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat von seiner Kabinettskollegin Christine Lambrecht eine grundlegende Reform des Beschaffungsapparats der Bundeswehr gefordert. In einer Art Brandbrief, den der FDP-Politiker am 3. Juli direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Lambrecht schickte, mahnt der er "tiefgreifende und schnelle Reformen" beim Einkauf von Rüstungsgütern an und macht davon indirekt auch weitere Budget-Steigerungen für die Truppe abhängig. Das berichtete der "Spiegel", dem das zweiseitige Schreiben vorliegt.

Demnach warnt Lindner in dem Brief, dass Lambrecht den pannenbehafteten Einkauf bei der Bundeswehr im Eiltempo effizienter machen müsse. Die "außergewöhnliche finanzielle Kraftanstrengung" müsse nun "von mindestens ebenso kraftvollen wie mutigen Reformen begleitet werden". Mehr Geld und schnelle Reformen seien "zwei Seiten einer Medaille", heißt es.

Diplomatische Vertretung von Donezk soll in Moskau eröffnet werden

In Moskau soll am morgigen Dienstag eine diplomatische Vertretung der selbst ernannten Volksrepublik Donezk eröffnet werden. Die Zeremonie findet im Beisein des russischen Außenministers Sergej Lawrow statt. Russland hatte die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im ostukrainischen Donbass wenige Tage vor Kriegsbeginn als unabhängig anerkannt; seit 2014 werden Teile beider Regionen von prorussischen Separatisten kontrolliert. Inzwischen hat die russische Armee Luhansk vollständig erobert und verstärkt ihre Angriffe auf Ziele in der Region Donezk.

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Quelle: ntv.de, mpe/dpa/AFP

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