Festnahme im Italien-Urlaub Nord-Stream-Verdächtiger kann nach Deutschland ausgeliefert werden
16.09.2025, 11:17 Uhr
Der Anschlag ereignete sich im September 2022.
(Foto: picture alliance/dpa/Danish Defence Command)
Die Nord-Stream-Pipelines werden vor drei Jahren durch Sprengsätze schwer beschädigt. Im August wird einer der mutmaßlichen Saboteure in Italien festgenommen. Ein Gericht verfügt nun die Auslieferung nach Deutschland.
Drei Jahre nach den Anschlägen auf die Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee kann einer der mutmaßlichen Drahtzieher nach Deutschland ausgeliefert werden. Die italienische Justiz gab grünes Licht für die Überstellung des 49 Jahre alten Ukrainers an die deutschen Behörden, wie dessen Anwalt bestätigte. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.
Der Ukrainer war Ende August an der Adriaküste festgenommen worden. Offenbar rechnete er nicht damit, dass ein internationaler Haftbefehl vollstreckt wird. Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft gehörte Serhij K. zu einer Gruppe, die im September 2022 nahe der Ostseeinsel Bornholm Sprengsätze an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 platzierte. Sie wirft ihm gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor.
Verdächtiger soll Ex-Agent sein
Nach der Auslieferung soll der Ukrainer in Deutschland vor Gericht gestellt werden. Allerdings versucht sein Anwalt Nicola Canestrini noch, mit einem Gang vor den italienischen Kassationsgerichtshof in Rom, die Überstellung an die deutschen Behörden zu verhindern. Die Aussichten werden als gering beurteilt.
Nach Informationen des Magazins "Spiegel" soll der Mann ein ehemaliger Agent des ukrainischen Geheimdienstes SBU sein. K. wurde in der Gemeinde San Clemente im Hinterland des beliebten Adria-Badeortes Rimini gefasst, wo er mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern die Ferien verbrachte. Die italienischen Behörden halten es für möglich, dass er auch an Anschlägen auf Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte im Mittelmeer beteiligt war.
Bei dem Haftprüfungstermin wies K. jegliche Vorwürfe zurück. Er behauptete, in der Zeit der Anschläge auf die Pipelines in der Ukraine gewesen zu sein. Zugleich wehrte er sich dagegen, nach Deutschland überstellt zu werden. Auch Kiew bestreitet, hinter den Anschlägen auf die Gaspipelines zu stecken. Die Ukraine wehrt sich schon seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen einen Angriffskrieg aus Russland.
Anschlag machte weltweit Schlagzeilen
Der Anschlag im Herbst vor drei Jahren hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Mehrere Sprengungen beschädigten die beiden Pipelines so sehr, dass kein Gas mehr durchgeleitet werden konnte. An drei der insgesamt vier Leitungen wurden Lecks entdeckt. Allerdings war zuvor schon kein Gas mehr durch die Leitungen geflossen.
Deutschen Behörden war es einem Medienbericht zufolge zuletzt gelungen, alle Mitglieder des Kommandos zu identifizieren, das für die Sabotage verantwortlich sein soll. Es gehe um insgesamt sieben ukrainische Tatverdächtige, berichtete die Wochenzeitung "Die Zeit" unter Verweis auf gemeinsame Recherchen mit der "Süddeutschen Zeitung" und der ARD. Gegen sechs von ihnen lägen Haftbefehle vor. Der Siebte soll im Dezember 2024 in der Ost-Ukraine bei Kämpfen gegen die russische Armee getötet worden sein.
Wie "Die Zeit" weiter berichtete, soll das Kommando nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft aus einem Skipper, einem Koordinator, dem in Italien festgenommenen Serhii K., einem Sprengstoffexperten und vier Tauchern bestanden haben. Ein Mitglied der Gruppe, der mittlerweile getötete ukrainische Soldat Wsewolod K., erhielt demnach im vergangenen Jahr bei der Bundeswehr im bayerischen Wildflecken eine militärische Ausbildung.
Ukrainische Behörden involviert?
Die Ermittlungen erhärten dem Bericht zufolge zudem den Verdacht, dass die Gruppe den Anschlag mithilfe von ukrainischen Behörden ausführen konnte. So seien die Verdächtigen mit ukrainischen Original-Pässen durch Polen nach Deutschland gereist, die allerdings falsche Namen enthielten. Einer der Verdächtigen sei zudem im Sommer vergangenen Jahres in einem Auto des ukrainischen Militärattachés aus Polen in die Ukraine gebracht worden, um einer Festnahme zu entgehen.
Nach Kriegsbeginn im Februar 2022 hatte Russland seine Lieferungen schrittweise gedrosselt und Anfang September völlig eingestellt - angeblich wegen technischer Probleme. Beobachter vermuteten, dass damit der Druck auf den Westen und insbesondere Deutschland erhöht werden sollte, wegen des Kriegs erlassene Sanktionen gegen Russland zurückzunehmen. Inzwischen sind viele weitere Sanktionen hinzugekommen.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa/rts/AFP