Politik

Rassismus in der Wahlkabine Obamas unsichtbarer Gegner

Erstmals in der Geschichte der USA steht am 4. November mit Barack Obama ein schwarzer Präsidentschaftskandidat mit realistischen Siegeschancen zur Wahl. Nur eine kleine Minderheit der US-Bürger würde heutzutage noch offen einräumen, dass die Hautfarbe eines Politikers für sie eine Rolle spielt.

Dennoch könnte Obama sein dunkler Teint - nach einer aktuellen Umfrage der kalifornischen Stanford Universität - bis zu sechs Prozentpunkte kosten - wenn in der Anonymität der Wahlkabine verschwiegene rassistische Vorbehalte zum Tragen kommen.

"Sackgasse" Rassismus

Im Wahlkampf macht der Demokrat Obama keinen Hehl daraus, dass er auf seine doppelte Identität stolz ist. "Rassismus ist ein Thema, das unser Land sich nicht erlauben darf zu ignorieren", warnte der Sohn eines schwarzen Kenianers und einer Weißen aus dem US-Bundesstaat Kansas im Frühjahr. Die "Sackgasse" Rassismus hindere das Land seit Jahren am Weiterkommen.

Doch kalkulierte auch der 47-Jährige frühzeitig ein, dass er beim allgemeinen Wahlvolk nicht punkten würde, wenn er sich als Fürsprecher der schwarzen Minderheit stilisiert. So präsentiert er sich in diesen Tagen vor allem als Kandidat der wirtschaftlich bedrängten Mittelklasse - egal welcher Hautfarbe.

Öffentliches Schweigen

Die offene rassistische Diskriminierung anderer ethnischer Gruppen ist bei weißen US-Bürgern weitgehend tabu. "Sehr wenige Amerikaner gestehen ein, dass sie rassistisch denken, es sei denn, sie gehören zu den paar tausend Neonazis oder zum Ku-Klux-Klan, der nicht mehr als 1000 bis 2000 Anhänger im Süden hat", sagt Gary Weaver, Professor der Washingtoner American University und Direktor des Instituts für interkulturelles Management.

Dennoch gebe es Weiße, die nie für einen Schwarzen stimmen würden, sagt Weaver. Öffentlich würden rassistische Vorbehalte verschwiegen, "weil es gesellschaftlich nicht akzeptabel ist", sagt Weaver, der seit 38 Jahren mit einer Schwarzen verheiratet ist. "Aber in der Wahlkabine werden sie vermutlich gegen Obama stimmen."

Der "Bradley-Effekt"

In den USA wird dieses Phänomen "Bradley-Effekt" genannt, nach Tom Bradley, dem ehemaligen schwarzen Bürgermeister von Los Angeles. Dieser unterlag 1982 bei den Gouverneurswahlen in Kalifornien, obwohl alle Umfragen ihm einen Sieg prophezeiten.

Besonders für die Weißen in ländlichen Gebieten der Südstaaten sei die Rasse eines Politikers immer noch von zentraler Bedeutung, erklärt Paul Herrnson, Professor an der University of Maryland. Viele würden wegen Obamas Hautfarbe möglicherweise auf den Urnengang verzichten oder den republikanischen Kandidaten John McCain wählen, prophezeit er.

Junge Weiße wahlentscheidend

Obamas Erfolg hängt vor allem auch vom Wahlverhalten der jungen weißen US-Wähler ab, wie Bryan Monroe glaubt. "Die Jugendlichen sind nach dem Kampf für Bürgerrechte groß geworden, haben in der Schule gelernt, dass Amerika als multikulturell gilt, als pluralistisch und egalitär", sagt der stellvertretende Chefredakteur des ältesten Magazins für Afroamerikaner, "Ebony".

"Für sie ist Obama der Repräsentant dieser Gesellschaft. Wenn die Jungen wählen gehen, werden sie diese Wahl entscheiden." Nach Ansicht des Experten Weaver werden auch die Stimmen der Schwarzen und Latinos für Obama entscheidend sein. Zusammen mit den jungen Wählern müssten sie die aufwiegen, "die nie für einen schwarzen Kandidaten stimmen werden".

Obama-Puppe erhängt an einem Baum

Schwarze stellen mit 40 Millionen Bürgern nur noch 13 Prozent der US-Bevölkerung, hinter den Latinos mit 42 Millionen. Bis heute lebt die afroamerikanische Bevölkerung in den Städten meist getrennt von den Weißen. Die sozialen Unterschiede sind riesig, in den Strafanstalten sitzen sechs Mal mehr Schwarze als Weiße ein.

Dass der Rassismus weiterlebt, zeigen auch schockierende Beispiele: Auf dem Campus einer Universität im Bundesstaat Oregon wurde kürzlich eine Obama-Puppe gefunden - erhängt an einem Baum.

Quelle: ntv.de, Myriam Chaplain-Riou, AFP

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