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"Aber anders, als viele denken" Offensive der Ukraine soll längst laufen

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Erst die Drohnen, dann die Panzer?

Erst die Drohnen, dann die Panzer?

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Tausende Panzer, die im Frühnebel die Front durchbrechen - so stellen sich viele einen Gegenangriff der Ukraine vor. Experte Marcus Keupp hält das für "Unsinn". Kiew soll auf ganz andere Weise bereits mit der Offensive begonnen haben.

Schon seit Wochen wird über den Beginn einer ukrainischen Gegenoffensive spekuliert, die von Russland besetzte Gebiete befreien soll. Auch Kiew selbst vermeldete Ende April, die Vorbereitungen dafür abgeschlossen zu haben. Zuvor hatte die Ukraine bereits immer wieder angekündigt, im Frühjahr zuschlagen zu wollen, wenn das Wetter trockener und die Bodenverhältnisse besser sind. Dass ein genauerer Zeit- und Ausgangspunkt öffentlich genannt wird, ist aus taktischen Gründen jedoch unrealistisch. Laut des deutschen Militärökonomen Marcus Keupp läuft die Gegenoffensive längst - "aber anders, als viele denken", wie er im Gespräch mit dem "Stern" sagte.

Nicht wenige haben im Zusammenhang mit einem Gegenangriff Panzer-Bataillone im Kopf, die auf die russischen Stellungen zurollen. Hunderte Kilometer Verteidigungsanlagen sollen die Kreml-Truppen laut Satellitenbildern entlang der Front errichtet haben. Doch "mechanisierte Bewegungen, Durchbrüche mit Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen sind erst der Abschluss", so Keupp. "Wenn von der Offensive die Rede ist, denken die meisten in den Bildern des Zweiten Weltkriegs: Im Frühnebel rollen Tausende Panzer los und durchbrechen breitflächig die Front. Das Publikum sollte sich lösen von der Vorstellung, jetzt müssten die Panzer kommen und Territorium zurückerobern, das dann die Infanterie in Beschlag nimmt. Das ist Unsinn. So finden heute keine Durchbrüche mehr statt."

Zweite Phase soll bereits laufen

Laut des Experten werden stattdessen in einer ersten Phase Front und Hinterland "bestmöglich aufgeklärt". Die Ukraine soll sogar schon weiter sein und sich in der zweiten Phase befinden: der Schwächung der russischen Logistik. "Treibstoffzufuhr unterbinden, Eisenbahnlinien und strategische Straßenverbindungen unterbrechen. Die vielen Öllager, die gerade in Russland durch Drohnenangriffe in die Luft fliegen, dienten dem Treibstoffnachschub der russischen Truppen und der Schwarzmeerflotte", so Keupp im "Stern"-Interview.

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Der Militärökonom nennt zudem die beiden vor Tagen entgleisten Treibstoffzüge in der Region Brjansk und die Angriffe im Raum Stawropol und Krasnodar. Einen Vorstoß mit mechanisierten Kräften erwartet er frühestens Mitte Juli. Vorher rechnet Keupp mit Artillerie-Angriffen auf die russischen Ressourcen im Frontsektor sowie Attacken mit Spezialmunition auf Minenfelder, um Panzern den Weg zu ebnen.

Die Ukraine hatte zuletzt mit vermehrten Angriffen auf russische Infrastruktur für Aufsehen gesorgt. Die russische Seite will zudem wohl frontnahe Gebiete im besetzten südukrainischen Saporischschja evakuieren, wo eine Offensive für möglich gehalten wird. Militärexperte Oberst a. D. Ralph Thiele sagte kürzlich im Gespräch mit ntv, selbst bei einem Erfolg des Gegenangriffs würde der Krieg danach aber wohl weitergehen.

Quelle: ntv.de, rog

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