Protest in Frankreich eskaliert Oper gestürmt
11.06.2003, 08:48 UhrDie Proteste gegen die umstrittene Rentenreform in Frankreich sind am Dienstagabend eskaliert. Vor dem Parlamentsgebäude in Paris kam es zu Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Etwa 350 Menschen drangen in die Pariser Oper ein und unterbrachen eine Aufführung von Mozarts "Cosi Fan Tutte". 65 Menschen wurden nach Polizeiangaben festgenommen. Die meisten von ihnen sollen einem Schnellgericht vorgeführt werden.
Auf dem Concorde-Platz ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen vermummte Demonstranten vor, berichteten Augenzeugen. Die Demonstranten steckten Mülleimer in Brand, bauten daraus Barrikaden und schleuderten Steine und Flaschen gegen die Polizisten. Ein Fotograf wurde verletzt. Zuvor hatten nach Angaben der Gewerkschaften mehr als 200.000 Menschen auf dem Concorde-Platz nahe der Nationalversammlung demonstriert.
Nach dem landesweiten Aktionstag flauten die Streiks am Mittwoch ab. Gleichwohl gab es weiter Behinderungen bei der Bahn und im öffentlichen Nahverkehr. In Marseille streikt seit neun Tagen die Müllabfuhr, auch die Fähren nach Korsika fahren nicht. Wegen eines Ausstands des Bühnenpersonals sagten die Pariser Oper und die Comedie Francaise alle Aufführungen am Mittwoch ab.
Regierung nennt Reform überfällig
Die französische Regierung brachte ihre Rentenreform am Dienstag im Parlament ein. Premierminister Jean-Pierre Raffarin, der seine Teilnahme am deutsch-französischen Gipfel in Berlin abgesagt hatte, verteidigte seine Pläne vor den Abgeordneten als überfällig.
Die Opposition im Parlament will die Debatten über die Reformpläne mit etwa 10.000 Änderungsanträgen verschleppen. Zudem soll ein Misstrauensantrag gegen die Regierung Raffarin eingebracht werden, der angesichts der Mehrheitsverhältnisse jedoch chancenlos sein dürfte.
Die Rentenreform soll noch vor der Sommerpause das Parlament passieren. Die Reform sieht vor, dass die Franzosen in Zukunft länger als bisher in das staatliche Rentensystem einzahlen müssen, um den vollen Rentenanspruch zu erwerben. Bei Beschäftigten des öffentlichen Dienstes soll der Zeitraum zunächst auf 40 von derzeit 37,5 Jahren angehoben werden und damit den Bedingungen im privaten Sektor angeglichen werden. Bis 2020 soll die Dauer für alle auf 42 Jahre verlängert werden.
Quelle: ntv.de