Wütend, zornig, verzweifelt Pflege schickt Merkel gelbe Karte
01.11.2010, 13:40 UhrDie Zahl der Pflegebedürftigen steigt, und schon jetzt diagnostizieren die Pflegekräfte in Deutschland einen "katastrophalen Zustand". Bereits in der Ausbildung lernten angehende Altenpfleger, "mehr zu dokumentieren, als tatsächlich getan wird", so der Berufsverband für Pflegeberufe.
Die Pflegekräfte in Deutschland schlagen Alarm. Mit einer Protestaktion sollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Philipp Rösler zu Schritten gegen "den katastrophalen Zustand in der Pflege" gedrängt werden, berichtete die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, Gudrun Gille. Massenweise sollen Pflegebedürftige, Pfleger und Angehörige symbolische gelbe Karten an Merkel schicken. "Wir erwarten von der Kanzlerin, dass sie eingreift", sagte Verbandsgeschäftsführer Franz Wagner.
Angesichts immer größerer Lücken gibt es immer öfter Pflege nur auf dem Papier. "Schüler in der Altenpflegeausbildung lernen schon, mehr zu dokumentieren, als tatsächlich getan wird", sagte Gille. Aus Sicht der Betroffenen stehe dabei im Vordergrund, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Angaben bei seinen Prüfungen lesen wolle.
Zahl der Pflegebedürftigen steigt
"Wir sind wütend und zornig und auch manchmal verzweifelt", sagte Gille. Zwar ist die Zahl der Alten- und Krankenpfleger nach Verbandsangaben in den vergangenen zwei Jahren leicht gestiegen. Allerdings seien es weniger als nötig. Vor allem sorgt sich der Verband, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2020 um mehr als 500.000 auf 2,9 Millionen steigen werde, es dann aber allein in den Krankenhäusern voraussichtlich 140.000 Pflegekräfte zu wenig gebe.
FDP-Minister Rösler will am 7. Dezember Pflege-Vertreter zu Beratungen in sein Ministerium einladen. "Ziel muss es sein, die Pflege weiter zu verbessern und sie auch finanziell auf ein langfristig tragfähiges Fundament zu stellen", hatte Rösler in einem Interview gesagt. Der Geschäftsführer des Berufsverbands, Wagner, sagte: "Wir warten darauf, dass den Ankündigungen Taten folgen."
"Ministerium ist beratungsresistent"
Dauerstress, immer mehr Arbeit für immer weniger Pflegekräfte und Zehn-Stunden-Dienste ohne Pause gefährdeten zunehmend die Patienten, sagte Gille. Vor allem die Nachtdienstbesetzungen seien haarsträubend. Sowohl im Krankenhaus als auch im Pflegeheim sei es nur der Leistung der Pflegenden zu verdanken, dass nicht mehr passiere.
Viele Pflegekräfte würden wegen Überlastung, mangelnder Aufstiegschancen und Bezahlung vorzeitig aus dem Beruf aussteigen, sagte Wagner. Die Aussetzung von Wehrpflicht und Zivildienst verschärfe die Lage weiter. "Das Bundesgesundheitsministerium ignoriert die Probleme und ist beratungsresistent."
Quelle: ntv.de, dpa