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Sondervermögen muss Lücke füllen Pistorius plagt das Zwei-Prozent-Ziel der NATO

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Verteidigungsminister Pistorius erlebt gerade die Mühen der Ebene.

Verteidigungsminister Pistorius erlebt gerade die Mühen der Ebene.

(Foto: IMAGO/photothek)

Der Verteidigungsminister ist der beliebteste Politiker Deutschlands. Und der Einzige, der nicht unter dem Spardiktat von Finanzminister Lindner leiden muss. Dennoch macht das Zwei-Prozent-Ziel der NATO Pistorius das Leben nicht leicht. In seinem Etat fehlen dafür 20 Milliarden Euro.

Boris Pistorius ist jetzt knapp ein halbes Jahr im Amt. In der Bevölkerung ist der 63 Jahre alte Sozialdemokrat schnell zum beliebtesten Politiker des Landes geworden. Er hat sich als Verteidigungsminister den Ruf des zupackenden, aber auch zuhörenden und verständnisvollen Politikers erworben, der bei den Soldatinnen und Soldaten gut ankommt. Sogar in der Opposition wird er geschätzt: "Danke #Pistorius, gute Entscheidung für (litauisch-deutsche) Freundschaft", twitterte etwa der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter nach der Entscheidung, eine Brigade der Bundeswehr dauerhaft in Litauen stationieren zu wollen.

Natürlich hat Pistorius das Glück, das eigentlich unbeliebte Amt des Verteidigungsministers in einer Zeit angetreten zu haben, in der die Sicherheitspolitik und damit auch die Bundeswehr von lange nicht mehr dagewesener Bedeutung ist. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Deutschland und Europa schmerzhaft deutlich gemacht, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Bundeskanzler Olaf Scholz hat das mit seiner "Zeitenwende"-Rede zum Ausdruck gebracht, und die Bundesregierung die Dringlichkeit mit dem 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr deutlich gemacht. Auch das Bekenntnis Deutschlands zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO ist dafür sinnbildlich.

Jetzt aber kommen die Mühen der Ebene: Bundesfinanzminister Christian Lindner hat den Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 vorgelegt. Für den Einzeletat 14 des Verteidigungsministeriums hatte Pistorius am Anfang der Beratungen noch eine Zunahme von 10 Milliarden Euro gefordert, ungeachtet des Sondervermögens. Locker gemacht hat Lindner jetzt 1,7 Milliarden Euro mehr - also weniger als ein Fünftel der geforderten Mehrausgaben. Pistorius kann zwar für sich in Anspruch nehmen, dass er als einziger Minister nicht sparen muss, sondern wegen der Lohnrunde im öffentlichen Dienst sogar mehr ausgeben darf. Zufrieden sein kann er perspektivisch aber nicht.

Zuschuss aus dem Sondervermögen nötig

Um wie von der NATO vorgegeben zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben, muss Deutschland im kommenden Jahr dafür 71 Milliarden Euro bereitstellen. Im Einzelplan 14 sind es mit der Aufstockung um 1,7 Milliarden jetzt rund 52 Milliarden Euro. Die fehlenden 19 Milliarden Euro wird Pistorius aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen der Bundeswehr zuschießen (müssen). Für den FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber befindet sich die Bundeswehr damit "in einer sehr komfortablen Situation, vieles auf den Weg bringen zu können". Immerhin gebe es für die kommenden Jahre Planungssicherheit.

Die gibt es mit Blick auf das Zweit-Prozent-Ziel der NATO allerdings rein rechnerisch nur wegen des Sondervermögens, das nach vorliegenden Planungen im Jahr 2027 aufgebraucht sein dürfte. Dann wird sich der Bundesfinanzminister oder -ministerin, wer auch immer dann im Amt sein wird, etwas ausdenken müssen, wie die Vorgaben der transatlantischen Allianz zu erfüllen sind. Für die Ampel-Koalition aber ist das derzeit kein Thema. Die nächste Bundestagswahl steht im Herbst 2025 an, und bis dahin kann viel passieren, und bis 2027 sowieso.

Verbale Hintertür

In Lindners Haushaltsentwurf sichert die Bundesregierung zu, dass ab 2024 die NATO-Quote von mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung erfüllt werde. "Mit dem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt des Jahres 2024 und dem Finanzplan bis 2027 sowie dem Sondervermögen Bundeswehr wird die Bundesregierung ab dem kommenden Jahr ihren 2 Prozent-BIP-Beitrag zu den NATO-Fähigkeitszielen erbringen", heißt es.

Allerdings hat die Bundesregierung in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie verbal bereits eine kleine Hintertür geöffnet: "Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben", heißt es in dem Dokument, das erste seiner Art in der bundesdeutschen Geschichte. "Die Bundesregierung bekennt sich in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie dazu, langfristig im mehrjährigen Durchschnitt zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für Verteidigungszwecke auszugeben" - das heißt, dass nicht jeder Haushalt eines Jahres dieses Ziel einhalten muss. Allerdings heißt es auch: "Strukturelle Defizite, die diesem Ziel entgegenstehen, werden wir beseitigen."

Quelle: ntv.de, mau/rts

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