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Bizarre PiS-Inszenierung Polen bekommt chancenlose "Zwei-Wochen-Regierung"

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Reines Theater: Mateusz Morawiecki (r.) bleibt Polens Ministerpräsident, aber nicht mehr lange.

Reines Theater: Mateusz Morawiecki (r.) bleibt Polens Ministerpräsident, aber nicht mehr lange.

(Foto: AP)

Ein proeuropäisches Bündnis gewinnt die Wahl in Polen und könnte mit dem Regieren sofort loslegen. Präsident Duda zögert den Machtwechsel aber hinaus und vereidigt ein chancenloses Kabinett der nationalkonservativen PiS. Mit der politischen Show verfolgen die Rechtspopulisten mehrere Ziele.

Mit zufriedenem Grinsen unterschreibt Polens Präsident Andrzej Duda die Ernennungsurkunde für die neue nationalkonservative PiS-Regierung von Mateusz Morawiecki. Dann hält er das rot eingebundene Dokument in die Kameras. Applaus. Die feierliche Ernennung im Präsidentenpalast ist reines Theater. Denn Morawieckis PiS hat im neuen Parlament keine Mehrheit - und auch keinen Koalitionspartner.

Die Parlamentswahl am 15. Oktober hat ein anderer gewonnen: der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er hat ein Dreierbündnis von proeuropäischen Parteien mit einer klaren Parlamentsmehrheit hinter sich. Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben, die Ressortaufteilung steht. Tusk könnte sofort loslegen.

Trotzdem vereidigt Duda ein chancenloses Kabinett, dem außer Morawiecki und Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak viele kaum bekannte Politiker angehören. Er freue sich über den hohen Frauenanteil und die vielen jungen Menschen im Kabinett, sagt Duda. Es klingt fast zynisch: Frauen und junge Leute ließen sich für ein Himmelfahrtskommando verheizen, sagen manche Kritiker. In spätestens 14 Tagen muss Morawiecki im Parlament die Vertrauensfrage stellen - und sein Kabinett wird krachend durchfallen. Polnische Medien spotten über die "Zwei-Wochen-Regierung" und "Morawieckis Krippenspiel". Seit mehr als sieben Wochen sind die Polen Zeugen dieser bizarren Inszenierung der PiS. Eigentlich ist allen klar, dass am Ende Donald Tusk die Regierung übernehmen wird. Doch die Rechtspopulisten, die das Land seit 2015 regiert hatten, kleben auch nach dem Machtverlust an ihren Sesseln.

"Das ist eine Demonstration, dass die Partei kämpft"

In Brüssel und Berlin wartet man hoffnungsvoll auf den Regierungswechsel in Warschau. Denn die PiS lag wegen ihrer Justizreform im Dauerclinch mit der EU-Kommission, die Bundesregierung nervte sie mit ihrer Forderung nach Weltkriegsreparationen in Billionenhöhe. Tusk und seine Mitstreiter dagegen stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland. Der 66-jährige Danziger war schon von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef.

Bis er es wieder wird, kann es noch bis kurz vor Weihnachten dauern. Mit ihrer Verzögerungstaktik verfolgt die PiS mehrere Ziele. Sie will Tusk - einem Erzfeind von Parteichef Jaroslaw Kacznyski - den Start vermasseln. Sie kann die Zeit nutzen, um Protegés auf lukrative Posten zu bugsieren. Polnische Medien berichten auch, dass in den Ministerien derzeit viel Datenmaterial vernichtet werde. In erster Linie wolle die PiS aber ihr Image vor den eigenen Wählern retten, sagt der Politologe Antoni Dudek. "Das ist eine Demonstration, dass die Partei kämpft und nicht aufgibt." Falle die neue PiS-Regierung wie erwartet im Parlament durch, dann werde Parteichef Kaczynski wahrscheinlich der Wählerschaft erklären, dass Donald Tusk schuld sei, weil er Druck auf die Abgeordneten ausgeübt habe, damit sie Morawiecki die Unterstützung verweigern.

PiS ist nicht koalitionsfähig

Einen Verbündeten für ihre Manöver hat die PiS im Präsidentenpalast. Staatsoberhaupt Duda stammt selbst aus ihren Reihen. Er war es, der trotz der Mehrheitsverhältnisse im Parlament den Auftrag zur Regierungsbildung an Morawiecki vergab. Und Duda will offenbar alle in der Verfassung vorgesehenen Fristen bis zum Maximum ausreizen.

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Die PiS wurde bei der Wahl mit 194 von 460 Mandaten zwar stärkte Fraktion, ist aber nicht koalitionsfähig. Wochenlang machte Morawiecki Andeutungen über angebliche Sondierungsgespräche mit den bisherigen Oppositionsparteien und einzelnen Abgeordneten. Doch schallte es ihm aus allen Lagern entgegen: Wir führen keine Gespräche und wir wollen keine Koalition mit der PiS.

Von dem Moment seiner Vereidigung hat Morawiecki bis zum 11. Dezember Zeit, um die Vertrauensfrage zu stellen. Aus Dudas Kanzlei hieß es, der Präsident wolle Tusk am 13. Dezember vereidigen. Das wäre eine weitere Boshaftigkeit. Denn am 13. Dezember 1981 verhängte das damalige kommunistische Regime das Kriegsrecht - eine schwarze Stunde in Polens Geschichte.

Quelle: ntv.de, Doris Heimann, dpa

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