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BRICS-Treffen in Südafrika Putin gibt auch in Abwesenheit den Ton an

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"Familienbild" der BRICS-Außenminister. Ist bald auch Wladimir Putin in Südafrika zu Gast?

"Familienbild" der BRICS-Außenminister. Ist bald auch Wladimir Putin in Südafrika zu Gast?

(Foto: REUTERS)

Am Kap der Guten Hoffnung formiert sich ein Gegenpol zum Westen: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika kommen auf Ministerebene zusammen und üben den Schulterschluss. Der russische Angriffskrieg schwebt über dem Treffen. Nur der Umgang damit ist überwiegend anders als im Rest der Welt.

Während Europa in Moldau zusammenkommt, um ein klares Zeichen der Unterstützung nach Moskau zu schicken, findet gleichzeitig im tiefen globalen Süden, genauer im südafrikanischen Kapstadt, ein zweitägiges Außenminister-Treffen der fünf BRICS-Staaten statt. Der Staatenbund von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika positioniert sich zunehmend aggressiv als Gegenpol zur westlich geprägten G7. Für Peking und Moskau ist BRICS ein wunderbarer Mantel, unter dem neue Allianzen mit Afrika geschmiedet und die Weltordnung neu geordnet werden kann. Obwohl er selbst nicht anwesend ist, gibt der russische Präsident Wladimir Putin auch in Kapstadt den Ton an.

Das Twelve Apostles Hotel liegt abgeschieden an einer herrlichen Küstenstraße Kapstadts, die den teuren Touristen-Hotspot Camps Bay und die Luxusvillen-Enklave Llandudno verbindet. Es ist ein Relikt aus Kolonialzeiten. Britischer Staub überall. In der Hotelbar müssen Kellner Uniformen im Leoparden-Look tragen, an manchen Tagen auch weiße Handschuhe. Sie haben sich beschwert, aber es sich nichts geändert.

Das Twelve Apostles ist der wohl unpassendste Ort für ein Treffen aufstrebender Volkswirtschaften, die mit alten Traditionen brechen, "Armut ausrotten" und "die Bedürfnisse des globalen Südens erfüllen" wollen. So definiert die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor in ihrer Eröffnungsrede jedenfalls die Ziele des BRICS-Verbundes.

UN-Sicherheitsrat soll reformiert werden

Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges nehmen Russlands BRICS-Partner zunehmend Abstand zum sogenannten Westen. Keiner der Mitgliedstaaten hat Russlands Invasion der Ukraine verurteilt oder unterstützt Sanktionen. BRICS repräsentiert 3,2 Milliarden Menschen und ein vereintes Bruttoinlandsprodukt von 25 Billionen Dollar. Eine eigene Bank, die New Development Bank, wurde als Alternative zur Weltbank aufgebaut. Geplant ist eine eigene gemeinsame Währung, die den US-Dollar ersetzen soll.

"Wir lassen uns nicht von anderen vorschreiben, wie wir die Lebensbedingungen für unsere Bürger verbessern", sagt Chinas Vize-Außenminister Ma Zhaoxu. Sein indischer Kollege kritisiert existierende wirtschaftliche Machtkonzentrationen, durch die "zu viele Nationen zu wenigen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind". Die BRICS-Mitglieder verlangen eine Reform des UN-Sicherheitsrates. Schwellenländer sollen wesentlich mehr Einfluss bekommen. "Die alten Wege werden der neuen Situation nicht gerecht. Wir sind ein Symbol des Wechsels. Wir müssen handeln", so Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar.

Südafrika ist der kleinste BRICS-Partner. Aber einer, der die Tür nach Afrika weit öffnet. Präsident Cyril Ramaphosas Einfluss in der Afrikanischen Union ist groß. Afrikanische Staaten bieten ausschlaggebende Stimmen in der UNO und sind wichtige Rohstofflieferanten. Eine Nachricht, die Russland auch nach Hause trägt. Außenminister Sergej Lawrow ist seit Tagen mit fast 50 russischen Medienvertretern auf dem Kontinent unterwegs. "Wir schlafen nur im Flugzeug", sagt die Journalistin einer Moskauer Radiostation. Erst ging es nach Burundi, dann Kenia und Mosambik. Die russische Afrika-Offensive endet diesmal am Kap der Guten Hoffnung.

Jetzt stehen Chinas Vize-Außenminister Ma, Russlands Außenminister Lawrow und ihre Kollegen für das BRICS-"Familienfoto" auf der Terrasse des Twelve Apostles. Die russischen TV-Kollegen übertragen live. Es sind so viele russische Kameras da, dass sich lokale Medien ihren Platz erkämpfen müssen. Obwohl nicht physisch anwesend, der russische Präsident ist der Elefant in jedem Raum hier.

"Illegale Haftbefehle" und ein ungerechter Westen

Südafrikas Opposition, die nur am Westkap und in Kapstadt regiert, hat angekündigt, man werde Putin festnehmen, sollte er tatsächlich im August persönlich nach Südafrika kommen. Natürlich ist der russische Präsident offiziell zu dem BRICS-Gipfel vom 22. bis 24. August eingeladen. Nur verpflichtet der vom Internationalen Strafgerichtshof erlassene Haftbefehl Südafrika, den Kreml-Chef festzunehmen. Denn das Land am Kap von Afrika hat das Statut von Rom unterzeichnet.

Seit Wochen windet sich die nationale ANC-Regierung von Präsident Ramaphosa, um einen Weg aus dieser Bredouille zu finden. Je länger Rechtsexperten prüfen und keine legale Lösung finden, desto schärfer werden die Kommentare der südafrikanischen Regierung und der Afrikanischen Union. Auch die sozialen Netzwerke sind voll von Kritik am sogenannten Westen. Die Vereinten Nationen messen mit zweierlei Maß, heißt es. Die US-Invasion im Irak sei illegal gewesen, doch gegen einen US-Präsidenten würde niemals ein Haftbefehl erlassen.

Außenministerin Pandor wird bei einer Pressekonferenz am Donnerstag mit Fragen zum Verfahren mit Putin bombardiert. "Wir sind hier, um über BRICS zu sprechen, nicht illegale Haftbefehle." Extrem freundlich ist ihr Verhältnis zu Lawrow, der bei der Pressekonferenz neben ihr sitzt. Westliche Botschafter dürften der Übertragung wutschnaubend zugeschaut haben. Trotz großer Investitionen, fairer Behandlung und fast demütiger Geduld driftet Südafrika täglich weiter in Richtung Russland und China ab.

"Dazu wird Lawrow nichts sagen"

Auch der Vorwurf, Südafrika habe in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein russisches Schiff mit Munition oder Waffen beladen, steht im Raum. Zumindest behauptete dies der ansässige US-Botschafter vor einigen Tagen. Die südafrikanische Währung stürzte daraufhin massiv ab. Eine Vorwarnung für das, was dem durch Korruption und Misswirtschaft wirtschaftlich angeschlagenen Land droht, sollte Russlands Präsident tatsächlich an dem BRICS-Gipfel in Südafrika teilnehmen. Eine südafrikanische Zeitung berichtet nun unter Berufung auf anonyme Regierungsquellen, es würde unter den BRICS-Partnern die Möglichkeit besprochen, den Gipfel nach Mosambik oder China zu verlegen. Beide Staaten haben das Rom-Statut nicht unterzeichnet und wären nicht an den Haftbefehl gebunden.

"Dazu wird Lawrow nichts sagen", sagt eine der russischen Journalistinnen. "Aber wenn ihr eine Antwort von ihm wollt, dann lasst eine gut aussehende Frau die Frage stellen. Das wirkt immer wieder", fügt sie in perfektem Englisch hinzu. Ihre Kollegen lachen laut. Aber es gibt keine Möglichkeit, Fragen zu stellen, obwohl es zahlreiche Kolleginnen versuchen. Der südafrikanische Sprecher des Außenministeriums arbeitet die Liste staatsnaher russischer, chinesischer und lokaler Journalisten ab.

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Erste Frage an Lawrow: "Was sagen sie zu britischen Medienberichten, dass der BRICS-Gipfel in China stattfinden soll?" Wie gesagt, es war eine südafrikanische Zeitung, die über die Möglichkeit berichtete. "Ich weiß nichts davon. Ich lese keine britischen Zeitungen", antwortet der russische Außenminister auf Russisch trotzdem. Die zweite Frage eines russischen TV-Journalisten über die Erweiterung von BRICS beantwortet Lawrow auf Englisch. Man habe ergiebige Gespräche mit den Vertretern Saudi-Arabiens geführt und es gäbe großes Interesse der ölreichen Nation BRICS beizutreten.

Öl ist der Casus knacksus für die Zukunft von BRICS, sagen Experten. Saudi-Arabiens Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al Saud ist auch im Twelve Apostles. Seine Kolleginnen und Kollegen aus Kuba, der Demokratischen Republik Kongo, den Komoren, Gabun, Iran, Kasachstan und den Vereinigten Arabischen Emirate ebenso. Ob es High Tea gab, ist unbekannt. Aber das gehört eigentlich zum normalen Gedeck im guten alten Twelve Apostles.

Quelle: ntv.de

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