"Ende solider Haushaltspolitik" Ressortverteilung erregt Unmut in der CDU
08.02.2018, 07:35 Uhr
Über die Einigung auf eine Große Koalition zeigen sich Horst Seehofer und Angela Merkel zufrieden. Bei der CDU sieht das nicht jeder so. Besonders der Verlust des Finanzministeriums an die SPD stößt manchem auf. Der Chef der Jungen Union rät zur Wachsamkeit.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten hat scharfe Kritik an der bei den Koalitionsverhandlungen vereinbarten Ressortverteilung geübt. "Der Kabinettszuschnitt ist ein politischer Fehler", sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion in der ARD. Laut von Stetten waren einige Parteikollegen geradezu "erschrocken darüber, welche Ministerien die SPD zugesprochen bekommen hat".
Besonders schmerzhaft sei für die Christdemokraten der Verlust des Finanzministeriums an die SPD. Im Gegensatz zur Amtszeit von Wolfgang Schäuble bestehe mit einem SPD-Finanzminister "die Gefahr, dass mehr SPD-Europapolitik ins Finanzministerium einzieht". Von Stetten betonte indes, er habe den Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, der als Finanzminister vorgesehen ist, als einen "zuverlässigen Verhandlungspartner" kennengelernt. "Aber am Ende des Tages ist doch entscheidend, wer hat die Fäden im Finanzministerium in der Hand und welches politische Umfeld ist dort drin."

"Passt scho", sagt Horst Seehofer zum Koalitionsvertrag. Angela Merkel siehes ähnlich - im Gegensatz zu vielen anderen in der Union.
(Foto: imago/photothek)
Auch der Wirtschaftsrat der CDU hat die Verteilung der Ministerien in der geplanten neuen Großen Koalition kritisiert. "Mit dem Sozial- und dem Familienressort gehen zwei der ausgabenträchtigsten Ministerien an die SPD", sagte der Präsident des Gremiums, Werner M. Bahlsen. "Dadurch, dass die SPD zudem das Schlüsselressort Finanzen erhält, winkt ein Ende solider Haushaltspolitik."
Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, rief die CDU wegen des künftig SPD-geführten Finanzministeriums zu Wachsamkeit auf. Der Koalitionsvertrag sei ein guter Kompromiss, mit welchem sich die Union blicken lassen könne, sagte Ziemiak. "Trotzdem müssen wir in den nächsten Jahren sehr wachsam sein, wenn es um generationengerechte Politik und stabile Haushaltspolitik geht - insbesondere wenn die SPD den Finanzminister stellt."
Merkel und Seehofer loben Kompromiss
Union und SPD hatten sich am Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag geeinigt und damit die Weichen für eine neue Große Koalition gestellt. CDU-Chefin Angela Merkel lobte die Einigung: "Es hat sich gelohnt." Auch CSU-Chef Seehofer zeigte sich zufrieden. "Passt scho", kommentierte er das Ergebnis auf Bayerisch. Neben Inhalten verständigten sich die Parteien auf die Verteilung der Ministerien. Die SPD, die bei der Bundestagswahl nur 20,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte, schnitt dabei überraschend gut ab, die CDU relativ schlecht. Die SPD soll sechs der 15 Ressorts bekommen, darunter das prestigeträchtige Außenministerium.
Am Mittwoch hatte CDU-Chefin Angela Merkel Bedenken in der Unionsfraktion wegen des Verlustes des Finanzministeriums zu zerstreuen versucht. Die Kanzlerin sagte in der Fraktion nach Angaben aus Teilnehmerkreisen, sie wisse, dass die Abgabe des Ressorts an die SPD Vielen Sorgen bereite. Sie verwies aber auf die große Bedeutung des Bundestags in Haushaltsfragen. Unionsabgeordnete äußerten in der Debatte die Sorge, das künftig SPD-geführte Finanzressort könne den europapolitischen Stabilitätskurs verlassen.
"Es ist leider keine Satire"
Merkel könnte nun zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Sicher ist aber noch nichts: Die rund 463.000 SPD-Mitglieder haben das letzte Wort. Sie stimmen vom 20. Februar bis zum 2. März über den Koalitionsvertrag ab. Die Jusos starten am Freitag ihre Nein-Kampagne zum Mitgliederentscheid, die Parteiführung will erst ab nächster Woche für den Koalitionsvertrag werben.
Seit der verlorenen Bundestagswahl gibt es massiven Unmut in der SPD über die Amtsführung von Noch-SPD-Chef Martin Schulz. Sein potenzieller Eintritt ins Kabinett als Außenminister ist innerparteilich umstritten, weil er einen solchen Schritt nach der Wahl zunächst ausgeschlossen hatte. Die Aufgabe des Parteivorsitzes könnte mit Blick auf den Mitgliederentscheid auch ein Zugeständnis an die Kritiker sein. Die Jusos halten es indes unverändert für möglich, eine Große Koalition noch zu verhindern.
Die Linke im Bundestag kritisierte die Koalitionsvereinbarung zwischen den Unionsparteien und der SPD scharf. Sie warf den Parteien eine Stärkung der Rechtspopulisten vor. "Es ist leider keine Satire: In der kleinsten Großen Koalition aller Zeiten verkommt das zum Heimatschutzministerium hochgeschriebene Innenressort zum Versorgungsbahnhof für einen abgehalfterten CSU-Ministerpräsidenten", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linke-Bundestagsfraktion, Jan Korte. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer soll in einer neuen großen Koalition ein Superministerium für Inneres, Heimat und Bau bekommen. Linken-Chef Bernd Riexinger nannte den Koalitionsvertrag in der "Berliner Zeitung" unambitioniert.
Quelle: ntv.de, cri/dpa/AFP