Vor dem Bundesparteitag Rückenwind für Merkel
30.11.2008, 20:15 UhrIm heftigen unionsinternen Streit um rasche Steuerentlastungen hat sich Kanzlerin Angela Merkel voll durchgesetzt. Entgegen der Forderung des Wirtschaftsflügels stützte der Vorstand zum Auftakt des CDU-Parteitags in Stuttgart die Linie Merkels, trotz der Wirtschaftskrise auf rasche Steuersenkungen zu verzichten. Diese sollen erst ab 2010 in Angriff genommen werden.
Die größer angelegte Steuerreform "steht in der nächsten Legislaturperiode an", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nach einer Sitzung von Vorstand und Präsidium beim Bundesparteitag in Stuttgart. "Da gibt es überhaupt keinen Dissens."
Zudem halte der Vorstand zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Maßnahmen als das beschlossene Konjunkturprogramm für erforderlich. Bei lediglich einer Enthaltung sei zudem der Leitantrag gebilligt worden, mit dem die CDU für eine tiefgreifende Steuerreform erst nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr eintritt.
Nur langfristig sinnvoll
In der ARD sagte Merkel, dass sie weitere Schritte der Bundesregierung zur Konjunkturbelebung in Erwägung ziehe, falls es die Wirtschaftslage erfordere. Sie ließ aber offen, welche Maßnahmen die Spitzen der Koalition bei ihrer Sitzung am 5. Januar ergreifen könnten. Das könne zum jetzigen Zeitpunkt keiner sagen.
Zudem kündigte Merkel einen harten Kampf um deutsche Arbeitsplätze bei den Klimaverhandlungen der EU an. Sie werde gegen jede Festlegung kämpfen, die Arbeitsplätze koste. "Da wird es noch harte Verhandlungen in Brüssel beim Dezember-Rat geben." An den Zielen der EU, die Treibhausgase bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken, halte sie aber fest.
"Wir müssen Vorreiter in Europa bleiben beim Klimaschutz." Dies wiederum könne Arbeitsplätzen in Deutschland zu Gute kommen, sagte sie. Sie verwies auf den künftigen US-Präsidenten Barack Obama, der mehr in den Klimaschutz investieren wolle. "Wenn wir uns dort Exportmärkte mit unseren Produkten erwerben könnten, dann wäre das für die Arbeitskräfte in Deutschland sehr gut", sagte sie.
"Kompromisse möglich"
Merkel hatte vor der Sitzung erneut deutlich gemacht, dass sie Steuerentlastungen nur langfristig für sinnvoll hält. "Es gibt für mich einen strukturellen Unterschied zwischen einer langfristig angelegten Steuerreform und Maßnahmen, die zu einer kurzfristigen Konjunkturbelebung führen können." Trotzdem hielt sie eine Verständigung für denkbar. "Ich denke schon, dass Kompromisse möglich sind", sagte sie vor Beginn des Parteitags in Stuttgart.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat der CDU-Vorstand Merkel nahezu einhellig die Unterstützung zugesichert. Teilnehmer berichteten, dass in der Sitzung lediglich drei der rund 50 Teilnehmer - darunter der Vorsitzende der Mittelstandsunion, Josef Schlarmann - für rasche Steuersenkungen plädiert haben.
"Die Steuern von morgen"
Der Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, sagte vor Beginn der Vorstandssitzung, dass Steuersenkungen zur kurzfristigen Konjunkturbelebung nichts nützten. Außerdem seien die "Schulden von heute, die Steuern von morgen". Ähnlich äußerte sich auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch. Auch er wies darauf hin, dass Steuersenkungen aus seiner Sicht zu langsam wirkten. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger sagte, Steuern dürften nicht auf Pump gesenkt werden.
Der Vorsitzende der Mittelstandsunion, Josef Schlamann, sagte hingegen, angesichts der Wirtschaftskrise gebe es zur Zeit "nur eine mögliche Entscheidung: Wir müssen schnell was tun. Wenn, dann jetzt." Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung in der Unions-Fraktion, Michael Fuchs, meinte, angesichts sinkender Exporte müsse die Binnenkonjunktur gestärkt werden. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller plädierte dafür, gegebenenfalls die Pendlerpauschale in der alten Form wieder einzuführen.
Seehofer sagt ab
Am Montag werden die 1001 Delegierten zudem die gesamte Führungsspitze einschließlich der Vorsitzenden Merkel neu wählen. Dazu gehören auch die vier Stellvertreter, die Mitglieder des Präsidiums und 26 weitere Vorstandsmitglieder. Merkel hatte vor zwei Jahren ein Ergebnis von gut 93 Prozent erhalten.
Nach Pofallas Angaben wird der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, der ebenfalls für Steuersenkungen plädiert hatte, nun definitiv nicht nach Stuttgart kommen. An seiner Stelle wird am Dienstag CSU-Vize, Landesgruppenchef Peter Ramsauer, sprechen. Seehofer hatte seine Absage mit der Krise der Bayerischen Landesbank begründet.
Warnung vor Schwarz-Weiß-Denken
Für Diskussion wird auf dem Parteitag auch die Rolle der DDR-CDU als Blockpartei sorgen. Merkel hat dazu vor einem Schwarz-Weiß-Denken gewarnt. "Wenn man in der DDR gelebt hat, dann kann man das heute nicht mit schwarz und weiß einfach darstellen, sondern da waren in dieser Diktatur natürlich auch Kompromisse unterschiedlichster Art und Weise an der Tagesordnung", sagte sie im ZDF. Positionen, bei denen etwas entschieden wurde, seien der SED vorbehalten gewesen.
Quelle: ntv.de