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Anti-Putin-Kämpfer in Kosinka Russland muss heftig um Grenzregion Belgorod kämpfen

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Ein russischer T-72-Panzer feuert nach der Grenze zur Ukraine auf Anti-Kreml-Kämpfer.

Ein russischer T-72-Panzer feuert nach der Grenze zur Ukraine auf Anti-Kreml-Kämpfer.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Russland greift derzeit nicht nur Ziele in der Ukraine an, sondern muss auch sein eigenes Staatsgebiet bombardieren. Der Grund sind aufseiten der Ukraine kämpfende russische Nationalisten, die in die Region Belgorod eindringen. Lange schweigt der Kreml darüber und muss dann umso heftiger zurückschlagen.

Seit Tagen greifen proukrainische Kräfte, darunter Kämpfer aus Russland, die Grenzregion zur Ukraine nahe der Stadt Belgorod an. Russland, nachdem es anfangs von der Heftigkeit der Attacken überrascht schien, reagiert mittlerweile mit schweren Gegenschlägen - auch auf eigenem Territorium. Und die scheinen offenbar nötig zu sein, wie ein anonymer russischer Militärblogger nahelegt. "Wer glaubt, dass es sich hier um eine Operation zur Vernichtung einer weiteren Diversanten-Gruppe handelt, der irrt gewaltig", schreibt er auf Telegram. "Es handelt sich um eine vollwertige militärische Schlacht mit dem Einsatz von Artillerie, Flugzeugen und schwerem Gerät, die sich nicht von den Kämpfen in Saporischschja unterscheidet", ergänzt er.

Nachdem Kämpfe auf russischem Staatsgebiet lange geleugnet wurden, gab das Verteidigungsministerium das Übertreten der Grenze durch gegnerische Kämpfer zu. Und es begann intensiv, das umkämpfte Gebiet wieder unter Kontrolle zu bringen - angeblich mit Erfolg. Verteidigungsminister Sergei Schoigu erklärte zumindest, dass "ukrainische Kämpfer versuchten, Grenzdörfer in den Regionen Belgorod und Kursk einzunehmen, wobei die aktivsten Aktionen in der Nähe der Siedlung Kosinka stattfanden". Weiter heißt es: "Alle feindlichen Angriffe wurden abgewehrt und der Feind wurde aus dem russischen Hoheitsgebiet zurückgedrängt". Bestätigen lässt sich diese Behauptung nicht.

Zumindest scheinen die Kämpfe intensiv gewesen zu sein - zumindest deutlich intensiver als in der Vergangenheit. Videos in sozialen Netzwerke zeigen zahlreiche beschädigte oder gänzlich zerstörte Häuser. Die wurden teils durch Beschuss von ukrainischem Staatsgebiet, teils durch Gegenschläge des russischen Militärs in Mitleidenschaft gezogen. Denn nachdem sich Anti-Kreml-Kämpfer in größerer Zahl auf russischem Staatsgebiet verschanzt hatten, versuchten russische Militärs sie zunächst am Boden zurückzuschlagen, teils unter spürbaren Verlusten. Videos zeigen Attacken proukrainischer Kämpfer auf gepanzerte Fahrzeuge russischer Streitkräfte und Angriffe auf russische Militärs, die versuchten, ein Gebäude zu stürmen. Nachdem viele dieser Gegenstöße fehlschlugen, setzte Russland verstärkt auch Artillerie ein - und bombardierte letztlich das eigene Staatsgebiet.

Nationalisten setzten lange nur Nadelstiche

Russland werde die Sicherheit seiner Grenzregionen gewährleisten, erklärte Präsident Wladimir Putin. Er habe bereits Pläne, wie mit den Kämpfern umgegangen werde. Verantwortlich für die Angriffe sei die Ukraine, wird behauptet. Tatsächlich handelt es sich jedoch um mehrere Gruppen russischer Nationalisten. Die haben teils bereits in den ersten beiden Kriegsjahren immer wieder versucht, mit kleinen Kommandos auf russischem Staatsgebiet für Verwirrung zu sorgen. Großen militärischen Erfolg hatten sie selten - Militärexperte Gustav Gressel bezeichnete sie als "Do-It-Yourself-Soldaten" - aber sie hinterließen Eindruck - und zeigten, dass Russland die Sicherheit innerhalb der eigenen Grenzen nicht jederzeit garantieren kann. Und, so westliche Militärexperten, es sorgte dafür, dass Russland Soldaten und Militärgerät in die vulnerablen Grenzregionen entsenden musste, die womöglich eigentlich in der Ukraine hätten eingesetzt werden sollen.

Die russischen Nationalisten verfügen teils über westliche Militärtechnik, sodass davon auszugehen ist, dass sie im Sinne Kiews kämpfen. Zudem, so berichtet etwa der "Spiegel" seien sei in die Strukturen der ukrainischen Armee eingebettet. Die Vereinigungen nennen sich "Russisches Freiwilligenkorps" oder Legion "Freiheit Russlands". Sie haben sich nach eigenen Angaben zuletzt im Grenzgebiet Kämpfe mit der russischen Armee geliefert - und sie planen weitere Angriffe.

Über diese russischen Nationalisten sagte Putin kürzlich: "Sie haben sich mit Waffen in der Hand gegen ihr Heimatland gestellt. Bei uns gibt es keine Todesstrafe, aber wir werden diese Menschen immer - sowohl jetzt als auch in Zukunft - wie diejenigen behandeln, die sich in einem Kriegsgebiet befinden, wir werden sie als bewaffnet betrachten".

Essen wird verteilt, die Ferien werden vorgezogen

Obwohl sich die Kämpfe im Großen und Ganzen auf die grenznahe Ortschaft Kosinka beschränken, ist auch die für die Region namensgebende Stadt Belgorod betroffen. Die liegt allerdings rund 35 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Nicht nur, dass durch zahlreiche Drohnenangriffe in den letzten Wochen in der 350.000-Einwohner-Stadt immer wieder Flugalarm zu hören ist. Es wurden auch Kontrollposten eingerichtet, an denen Sicherheitskräfte kontrollieren, wer die Stadt betritt. Zudem kündigte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow einen vorzeitigen Ferienbeginn an. Soweit möglich solle der Unterricht digital stattfinden. 9000 Kinder seien bereits in Sicherheit gebracht worden, so Gladkow. Zudem wurde die Verteilung von Lebensmitteln in der Region angekündigt, da die Versorgungslage schwierig sei, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS meldete.

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Russland beklagt Angriffe gegen zivile Ziele, also etwas, was das Land selbst seit zwei Jahren in der Ukraine tagtäglich macht. Beweise, dass diese Angriffe gezielt Zivilisten treffen sollten, blieben jedoch sowohl die Förderationsratschefin Valentina Matwijenko als auch Präsident Putin schuldig. Beide warfen westlichen Staaten wie den USA, Großbritannien oder dem Militärbündnis NATO vor, die Handlungen der ukrainischen Armee zu koordinieren. Belege gibt es hierfür ebenfalls nicht.

Es ist davon auszugehen, dass die Kämpfe in den russischen Grenzregionen weitergehen werden. Die Anti-Kreml-Kämpfer können sich immer wieder schnell auf ukrainisches Staatsgebiet zurückziehen und neue Nadelstiche setzen. Zudem ist das mediale Ausschlachten von Kämpfen auf russischem Staatsgebiet eines der wirkungsvollsten Mittel, um der Bevölkerung Putin'sche Schwäche vor Augen zu führen.

Quelle: ntv.de

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