"Laschet schlägt wild um sich" SPD führt, doch Klingbeil mag nicht jubeln
24.08.2021, 18:26 Uhr
Bester Stimmung: Lars Klingbeil.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Erfolg ist so unerwartet wie wegweisend: Die SPD ist im RTL/ntv-Trendbarometer an der Union auf Platz eins vorbeigezogen, erstmals seit 15 Jahren. Spitzenkandidat Olaf Scholz könnte tatsächlich der nächste Bundeskanzler werden. SPD-Wahlkampfmanager Lars Klingbeil reagiert im Gespräch mit ntv.de zurückhaltend auf das Umfragehoch seiner Partei - teilt aber selbstbewusst gegen eine "planlose" Union aus.
ntv.de: Nach 15 Jahren führt die SPD erstmals wieder eine Umfrage zur Bundestagswahl an. Wie haben Sie diese Nachricht aufgenommen?
Lars Klingbeil: Das ist für mich Ansporn für die nächsten 33 Tage bis zur Wahl. Ich bin gerade viel im Land unterwegs und spüre ein wachsendes Interesse der Menschen an der Bundestagswahl und einen größer werdenden Zuspruch für unseren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz und die SPD.
Was hat Ihrer Meinung nach den Ausschlag gegeben, dass sich die Umfragen so drastisch gedreht haben? Liegt das nicht vor allem an einem sehr schwachen Kanzlerkandidaten der Union?
Ich habe vor ein paar Wochen schon darauf hingewiesen, dass in der Schlusskurve die Menschen sehr genau hingucken werden, wer von den drei Kandidaten eigentlich die Kompetenz, die Erfahrungen und die Fähigkeit hat, das Land zu führen und voranzubringen. Alle gucken sich jetzt sehr genau an, wer soll eigentlich Angela Merkel folgen? Da sieht man drei Kandidaten, von denen zwei sich permanent für Fehler entschuldigen müssen. Und dann ist da noch Olaf Scholz, der den Kompass und die Professionalität hat, die das Land in durchaus schwierigen Zeiten braucht.
Der Aufwärtstrend der SPD wird auch dadurch verstärkt, dass mit der Ampel-Koalition ein Bundeskanzler Olaf Scholz zur realistischen Option geworden ist. Müsste Ihre Partei nicht noch viel offensiver kommunizieren, wie sie eine Regierung ohne Union bilden will?
Wir kämpfen für eine starke SPD. Und dafür, dass Olaf Scholz Kanzler wird. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden bis zum 26. September. Uns als SPD hilft, dass wir uns seit über einem Jahr sehr akribisch auf diesen Wahlkampf vorbereiten. Wir haben Olaf Scholz vor über einem Jahr nominiert. Wir haben das mit großer Geschlossenheit getan. Wir haben mit der ganzen Partei am Programm gearbeitet. Wir haben unseren Wahlkampfauftakt vor zwei Wochen gemacht in Bochum, mitten in der Stadt. Wir haben uns nicht in einer Halle mit Mitarbeitern versteckt wie am Samstag die Union, sondern sind rausgegangen zu den Menschen. Dazu kommt, dass wir eben keinen Markus Söder haben, der permanent gegen den eigenen Kanzlerkandidaten schießt, dass wir keinen Robert Habeck haben, der die Aufmerksamkeit von der Kandidatin weglenkt.
Hat es sich auch ausgezahlt, dass Sie die Union zuletzt aggressiver angegangen sind, unter anderem mit einem etwas umstrittenen Wahlkampfspot?
Armin Laschet hat ja lange Zeit probiert, im Schlafwagen Wahlkampf zu führen. Jetzt schlägt er plötzlich wild um sich und teilt gegen alle aus, um irgendwie Punkte zu machen. Das zeigt, wie planlos der Wahlkampf der Union ist. Wir haben deutlich gemacht, wer sich alles im Umfeld von Armin Laschet bewegt: ein Hans-Georg Maaßen, der die Union nach rechts verschiebt, dazu Friedrich Merz, der für Wirtschafts- und sozialpolitische Konzepte der letzten Jahrzehnte steht, aber ganz bestimmt nicht für Aufbruch und Modernität. Das gehört im Wahlkampf dazu, genau solche Dinge auch deutlich zu machen.
Das heißt, Sie nehmen weiter die Union in die Mangel?
Wir konzentrieren uns auf Olaf Scholz, wir konzentrieren uns auf das, was wir als SPD für die Menschen umsetzen wollen: bezahlbare Mieten, 12 Euro Mindestlohn und höhere Löhne insgesamt. Wir wollen einen Klimaschutz, der ambitioniert ist und gleichzeitig neue Jobs schafft. Wir sind die Partei, die ein klares Bekenntnis für stabile Renten abgibt. Die anderen führen einen Wahlkampf der Nebensächlichkeiten, wo Grüne und Union sich über Lebensläufe, über Plagiate und andere Fragen streiten.
Am Sonntag zeigen ntv und RTL das erste Triell der drei Kanzlerkandidaten. Wie wird Ihr von den Umfragen gestärkter Kanzlerkandidat dort auftreten?
Das erste Kanzler-Triell im deutschsprachigen Fernsehen bekommen Sie am Sonntag den 29. August um 20.10 Uhr bei ntv und RTL zu sehen. Moderiert wird die Runde von Pinar Atalay und Peter Kloeppel. ntv.de zeigt die Sendung im Livestream.
Diese Wahl ist so offen wie sehr lange nicht. Das wird ein spannendes Triell. Ich bin mir sicher, dass Olaf Scholz durch Erfahrung, Kompetenz und dadurch, dass er auch eine Idee hat, wo er mit diesem Land hinwill, überzeugen kann.
Was vermuten Sie, wie gerade die Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, ist? Guckt man auch ein bisschen spöttisch rüber, nachdem die SPD dort ja oftmals verlacht worden ist für ihre Kanzlerambitionen?
Nein, Spott und Häme sind nicht meins. Ich bin stolz auf meine Partei, dass wir so geschlossen sind und kämpfen. Das ist eine gute Voraussetzung für die nächsten 33 Tage bis zum Wahltag.
Dass die SPD sich plötzlich auf Augenhöhe mit Union und Grünen wiederfindet, ist auch Ihr persönlicher Erfolg als Generalsekretär und Wahlkampfleiter. Verschafft das Ihnen Genugtuung?
Ich bin dankbar für das Vertrauen, das Olaf Scholz und meine Partei in meine Arbeit haben. Wir haben jetzt aber noch viel Strecke vor uns und deswegen gibt es von mir auch keinen Jubel und keine Euphorie.
Mit Lars Klingbeil sprach Sebastian Huld
Quelle: ntv.de