Politik

Diskussion um deutsche Brücken Scheuer warnt vor Panikmache

Andreas Scheuer Wieso Sie.JPG

Der Brückeneinsturz in Genua löst eine Diskussion um die Sicherheit der Bauwerke in Deutschland aus. Nachdem ein Experte von "verrotteten" Brücken spricht, warnt Verkehrsminister Scheuer vor Panikmache. Ein Ingenieur verweist auf ständige Kontrollen.

Nach dem verheerenden Brückeneinsturz in Genua hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer vor einer Dramatisierung der Zustände in Deutschland gewarnt. "Wir haben wieder eine sehr typisch deutsche Diskussion - was in Deutschland als marode oder nicht ausreichend gilt, ist anderswo in einem guten Zustand eingestuft", sagte der CSU-Politiker n-tv. Ein Experte hatte zuvor gewarnt, dass deutsche Brücken "verrotten".

Scheuer verwies auf aufwändige Überwachungsmechanismen. Es gebe durchaus Sanierungsfälle auch unter den großen Brücken, betonte der Minister. Ein Beispiel sei die Rheinbrücke bei Leverkusen. Das mehr als 50 Jahre alte Bauwerk ist wegen seines schlechten Zustands für Lastwagen inzwischen gesperrt, ein Neubau ist in Arbeit. Derartige Einschränkungen sorgten für "Verärgerungen", ergänzte er. "Aber trotzdem haben wir unsere Brücken im Griff."

Der Architekt Richard Dietrich hatte in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vor einer Gefahr durch marode Überführungen gewarnt. "Unsere Brücken verrotten gefährlich, ein Einsturzrisiko kann inzwischen nicht mehr ausgeschlossen werden", sagte er. Der Bauingenieur Manfred Curbach sagte dagegen n-tv.de, dass schon beim Bau von Brücken "alles sehr genau überwacht" werde. Aber auch danach würden die Bauwerke ständig kontrolliert. "Das passiert nach einem sehr ausgeklügelten System."

"So ein Fall in Deutschland extrem unwahrscheinlich"

Dietrich machte vor allem den dominierenden Werkstoff Beton für Probleme verantwortlich. Schäden an Brücken würden dadurch erst spät sichtbar. "Wenn der Beton Risse hat, durch die Feuchtigkeit eindringt, löst sich irgendwann der Zement auf, dadurch rostet die freigelegte Stahlbewehrung", sagte er. "Spätestens dann leidet die Stabilität." Er forderte die Rückkehr zu Stahlbrücken. Stahlbrücken seien deutlich langlebiger und weniger anfällig für Schäden. "Aber die Betonindustrie ist ein gut funktionierendes Kartell in Deutschland, das sich sogar an den Universitäten durchgesetzt hat", kritisierte der Bauingenieur.

Curbach sagte mit Blick auf den Einsturz in Genua, dass es natürlich nie eine hundertprozentige Sicherheit für Brücken gebe. "Aber ich würde behaupten, dass so ein Fall in Deutschland extrem unwahrscheinlich ist. Wenn man sich in Deutschland die Geschichte des Brückenbaus anschaut, so hatten wir schon einige sehr spektakuläre und dramatische Einstürze während des Bauzustandes, wo zum Beispiel ein Leergerüst versagt hat." Nachdem eine Brücke dem Verkehr übergeben wurde, sei bisher aber nie etwas passiert.

Zwei Prozent der Brücken "ungenügend"

"Sicherheit hat immer oberste Priorität", betonte eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums in Berlin. Die Gelder für Brückensanierungen seien seit Jahren deutlich aufgestockt worden. Fälle wie in Genua könnten nicht pauschalisiert werden. Dem Ministerium zufolge werden elf Prozent der Brücken an Bundesfernstraßen in die Zustandskategorie "nicht ausreichend" und zwei Prozent in die Kategorie "ungenügend" eingestuft. Damit sei aber noch nichts über mögliche Schäden ausgesagt. Die Einstufung diene lediglich für die Planung der Bauwerkserhaltung.

Auch die Verkehrsexpertin der SPD-Fraktion im Bundestag, Kirsten Lühmann, verwies auf die bereitgestellten Milliardenbeiträge und regelmäßige Kontrollen. Wichtig in Deutschland sei vor allem, die bereitgestellten Mittel "schneller verbauen zu können", sagte sie der "Heilbronner Stimme".

Die beiden Oppositionsparteien Grüne und FDP forderten schnellere Verfahren zur Mängelbeseitigung und mehr fachkundiges Personal in Behörden. Das deutsche Kontrollsystem funktioniere zuverlässig, sagte der Grünen-Verkehrsexperte Cem Özdemir dem Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Die Tragödie von Genua sollte uns aber eine Mahnung sein, die dabei festgestellten Mängel zügiger zu beheben als das bisher der Fall war", sagte er. Scheuer handle dabei nicht entschieden genug.

Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic forderte "gestrafftere Planungsverfahren und mehr ausgebildete Ingenieure" für Kontrollen. Der von der Regierung vorgelegte Entwurf des Planungsbeschleunigungsgesetzes reiche nicht, erklärte er.

Quelle: ntv.de, mli/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen