Politik

"Bafög-Knauserei" Schluss mit Studienhürden

Die SPD-Bildungspolitikerin Ulla Burchardt hat angesichts des jüngsten OECD-Bildungsberichtes die Abschaffung von Studiengebühren verlangt. Mit ihren spärlichen Abiturienten- und Studentenzahlen sei die Bundesrepublik im internationalen Vergleich ohnehin Schlusslicht. Weil aber Deutschland mehr Studenten brauche, müssten "die neuen Studienhürden" in den unionsgeführten Bundesländern jetzt umgehend abgeschafft werden, forderte die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses. Opposition und Verbände kritisierten die Bildungspolitik von Bund und Ländern.

Nach dem am Dienstag von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorgelegten Bericht ist das deutsche Bildungssystem weiter zurückgefallen. Während in Deutschland in den vergangenen 10 Jahren die Zahl der Studenten um 5 Prozent stieg, legten die 29 wichtigsten Industrienationen im Schnitt um 41 Prozent zu. Dem Bericht zufolge ist Deutschland nicht mehr in der Lage, alle in den nächsten Jahren aus Altersgründen frei werdenden Arbeitsplätze für Ingenieure oder Lehrer mit eigenem akademischen Nachwuchs zu besetzen.

Die Bildungssprecherin der SPD-geführten Länder, die rheinland- pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen, sagte, es gebe zwar "inzwischen einen politischen Konsens", mehr Studienanfänger erfolgreich zum Abschluss zu führen. "Ich befürchte aber, dass die Einführung von Studiengebühren in einigen Bundesländern uns den Weg zu diesem gemeinsam verabredeten Ziel erheblich erschweren wird."

"Campus-Maut"

Die Bildungspolitiker der Grünen, Priska Hinz und Kai Gehring, sehen in der neuen OECD-Studie eine "schallende Ohrfeige" für die Bundesregierung und für die Länder. "Campus-Maut, Bafög-Knauserei und Studienplatzmangel stehen den Studienberechtigten im Weg." Der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Oskar Lafontaine, sagte: "Einmal mehr wird bestätigt, dass das dreigliedrige Schulsystem mit seiner scharfen sozialen Auslese eine der Hauptursachen für das deutsche Versagen in der Bildung ist." Der FDP-Bildungspolitiker Patrick Meinhardt sagte dagegen: "Eine neue zentralistische Bildungsdebatte über Schulstrukturen bringt keinerlei Verbesserung und keinerlei Mehrförderung für junge Menschen."

Die Unions-Politikerinnen Katherina Reiche (CDU) und Ilse Aigner (CSU) forderten mehr Werbung in den Schulen für technische und naturwissenschaftliche Fächer. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte die mit dem OECD-Bericht erneut festgestellte Chancenungleichheit in der deutschen Bildung. Der Deutsche Philologenverband bezeichnete dagegen die OECD-Kritik an den niedrigen deutschen Studentenzahlen als falsch.

GEW-Vize Marianne Demmer forderte die Parteivorsitzenden von CDU und SPD auf, Deutschlands Bildungsprobleme zur "Chefsache" zu machen. Die fehlende Chancengleichheit für Arbeiter- und Migrantenkinder verlange ein parteiübergreifendes Handeln von Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Kurt Beck, so Demmer. Auch andere Industrienationen hätten es geschafft, ideologische Gräben und überkommene Schulstrukturen zu überwinden. Ein längeres gemeinsames Lernen aller Kinder sei heute weltweit die Regel.

Studiengebühren in Deutschland

Einen wirklich kostenlosen Zugang zu universitärer Bildung gab es in der Bundesrepublik Deutschland auch bisher nicht; Studiengebühren im weiteren Sinne existieren in Form von Semesterbeiträgen schon lange.

In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Niedersachsen müssen Studenten zudem seit dem Sommersemester 2007 pro Semester 500 Euro bezahlen. Hessen und das Saarland ziehen ab dem kommenden Wintersemester nach. In Bremen zählt bislang noch der Wohnsitz. Studenten mit Wohnsitz oder Hauptwohnsitz in Bremen müssen erst nach 14 Studiensemester Studiengebühren von 500 Euro pro Semester zahlen. Studierende, die außerhalb des Bundeslandes wohnen, müssen dagegen schon nach zwei Semestern die Gebühren zahlen.

In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird zwar über die Einführung der allgemeinen Gebühren diskutiert, es ist aber unwahrscheinlich, dass dort vor 2009 gezahlt werden muss. In Berlin bleibt es fürs Erste günstig. Es wird zurzeit zwar die Erhebung von Langzeitgebühren und Studienkonten erwogen, eine allgemeine Gebühr steht jedoch noch nicht zur Debatte. Auch Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein werden in der näheren Zukunft keine allgemeinen Studiengebühren erheben.

Quelle: ntv.de

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