Stationierung von Tomahawks Scholz: Deutschland braucht "Schutz mit Abschreckung"
11.07.2024, 17:32 Uhr Artikel anhören
Die Vereinbarung sei "keine wirkliche Überraschung", sagt Scholz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Vereinbarung zur Stationierung von US-Langstreckenwaffen in Deutschland sorgt für ordentlich Kritik. Während bei einigen die Sorge vor einem Wettrüsten wächst, rügen die Grünen vor allem die fehlende Begründung der Pläne. Letzteres holt Kanzler Scholz nun nach.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vereinbarung mit den USA zur Stationierung von Marschflugkörpern in Deutschland gegen Kritik verteidigt. Dies sei eine "sehr gute Entscheidung", sagte er auf Englisch beim NATO-Gipfel in Washington. Deutschland müsse "einen eigenen Schutz haben mit Abschreckung", und dazu seien die Präzisionswaffen notwendig, fügte der Kanzler auf Deutsch hinzu.
"Wir wissen, dass es eine unglaubliche Aufrüstung in Russland gegeben hat mit Waffen, die europäisches Territorium bedrohen." Der Kanzler verwies auf Vereinbarungen mit Frankreich und Großbritannien zur Entwicklung eigener Fähigkeiten zur konventionellen Abschreckung. "Deshalb passt die Entscheidung der Vereinigten Staaten genau in diese Strategie." Scholz verwahrte sich auch gegen Kritik aus den Reihen der Koalition, er habe den Beschluss nicht ausreichend kommuniziert: "Diese Entscheidung ist lange vorbereitet und für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen, keine wirkliche Überraschung", sagte er.
Deutschland und die USA hatten am Mittwochabend gemeinsam verkündet, dass die US-Armee - nach mehr als 20 Jahren Pause - ab 2026 wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren will, zur besseren Abschreckung gegen Russland. Diese Waffen "werden über deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa verfügen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Kritik aus SPD, Linke und BSW
Verlegt werden sollen ab 2026 US-Langstreckenraketen vom Typ Tomahawk und SM-6, zudem weitere Hyperschallwaffen, die aber noch in der Entwicklung sind. Verteidigungsminister Boris Pistorius betonte im "Deutschlandfunk", dass die Waffen "auf Rotationsbasis" und "temporär" hierzulande stationiert werden sollen. Langfristig aber sollen die europäischen Staaten selbst verantwortlich sein für ihre Ausstattung mit solchen Systemen.
Die Stationierung der Waffen soll der Abschreckung Russlands und damit der Verteidigung des NATO-Bündnisgebiets dienen. Kritiker sehen jedoch einen Rückfall in den Kalten Krieg und fürchten ein riskantes Wettrüsten. "Die Welt wird davon nicht sicherer. Im Gegenteil: Wir kommen in eine Spirale, in der die Welt immer gefährlicher wird", sagte etwa der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner den Funke-Zeitungen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte dem stern: "Ja zu Landesverteidigung. Aber Nein zu noch mehr Waffen, die zum Angriff weit ins Gebiet anderer Staaten taugen. Wir brauchen eine Friedensoffensive, nicht immer mehr und immer schwerere Waffen."
Auch BSW-Chefin Sahra Wagenknecht äußerte Kritik. "Die Stationierung weitreichender Angriffswaffen dient nicht unserem Schutz, sondern macht unser Land zum potenziellen Angriffsziel feindlicher Raketen und bringt uns damit in große Gefahr", sagte sie dem Magazin.
Quelle: ntv.de, spl/AFP/dpa