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"Für mich schwer zu verstehen" Scholz' Putin-Telefonat für USA kein Thema, jedoch für EU-Staaten

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Scholz telefonierte am Freitag mit Putin. Das Vorgehen ist strittig.

Scholz telefonierte am Freitag mit Putin. Das Vorgehen ist strittig.

(Foto: picture alliance / epd-bild)

Olaf Scholz telefoniert - für viele Staatschefs überraschend - mit Wladimir Putin. Während die USA kein Problem daran erkennen, erntet der Kanzler von seinen europäischen Verbündeten Kritik. Litauen spricht sogar von einer "Position der Schwäche".

Die US-Regierung sieht die Ukraine durch das Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht übergangen. "Deutschland ist ein souveränes Land, das in Bezug auf seine internationalen Beziehungen tun kann, was es will", sagte der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater der USA, Jon Finer, am Rande des G20-Gipfels in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro. Das Telefonat stehe aber nicht grundsätzlich im Widerspruch zur bisherigen Linie der westlichen Verbündeten mit Blick auf die Ukraine.

Die bekannte US-Auffassung sei, dass nichts über den Kopf der Ukraine hinweg entschieden werden solle, so Finer. Das bedeute aber nicht, dass niemand mit Russland sprechen dürfe. "Wir haben in dieser Regierung Gespräche mit Russland geführt. Andere Länder haben Gespräche mit Russland geführt", sagte Finer. Es gebe gute Gründe für Gespräche mit Moskau. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mehrfach mit seinem russischen Kollegen telefoniert.

"Wir arbeiten eng mit den Deutschen und unseren anderen Verbündeten zusammen und koordinieren uns in dieser Sache", sagte Finer weiter. "Und ich denke, wir alle stehen weiterhin voll und ganz hinter der Position, dass nichts getan werden sollte, um die Position der Ukraine zu untergraben." Die Ukraine entscheide selbst über mögliche Verhandlungen mit Russland. Das sei keine Frage für die USA oder Deutschland, so Finer. Für weitere Fragen zu diesem Thema verwies er an die deutsche Bundesregierung.

Litauen: Telefonat "aus Position der Schwäche"

Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis wirft Scholz hingegen vor, das Telefonat mit Putin aus einer Position der Schwäche geführt zu haben. "Grundsätzlich bin ich nicht gegen irgendwelche Anrufe oder gegen das Händereichen - aber es muss aus einer Position der Stärke kommen, nicht aus einer Position der Schwäche", sagte Landsbergis am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel.

Der neuerliche Raketenbeschuss gegen die zivile Infrastruktur der Ukraine zeige, dass Russland Europas Schwäche ausnutze. "Was hilft uns das also? Warum tun wir das? Das ist für mich sehr schwer zu verstehen", sagte er.

Landsbergis kritisierte Scholz zudem für sein Nein zur Lieferung weitreichender deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine. Mit Raketenlieferungen könne man Russland "rote Linien" aufzeigen, sagte er. Stattdessen zeige Europa Langsamkeit und Schwäche. Landsbergis betonte, alle Einschränkungen für Waffenlieferungen an die Ukraine müssten aufgehoben werden. "Ein Frieden durch Deeskalation ist eine fehlgeschlagene und gescheiterte Strategie. Wir brauchen eine neue."

Scholz kassiert weitere Kritik aus EU und Ukraine

Scholz' Telefonat mit dem russischen Präsidenten stößt auch in weiteren EU-Staaten auf Unverständnis oder Kritik. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell machte in Brüssel deutlich, dass er schnelle Militärhilfe für die Ukraine für wichtiger halte als solche Gespräche. Er sagte, er sei nicht über die Inhalte des Gesprächs zwischen Scholz und dem Kreml-Chef informiert. Borrell habe allerdings keine Absicht, mit Putin zu telefonieren. Angesichts der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten müsse die EU "die Ukraine so stark unterstützen, wie wir es können, und das schneller".

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Der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp sagte, Putin höre nur auf die Fakten auf dem Schlachtfeld. Daher sei die Nachricht "sehr wichtig", dass die USA ihre Beschränkungen für an die Ukraine gelieferte Waffen aufgehoben hätten. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte, das Telefonat des Kanzlers mit Putin habe noch einmal gezeigt, dass der Kreml-Chef "die Ukraine und damit unseren europäischen Frieden in Freiheit vernichten" wolle. Sie antwortete ausweichend auf die Frage, ob Deutschland nun Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern müsse.

Der Kanzler hatte am Freitag erstmals seit fast zwei Jahren mit Putin telefoniert und den Kreml-Chef nach eigenen Angaben aufgefordert, "seine Truppen zurückzuziehen" und sich zu Verhandlungen mit der Ukraine bereit zu zeigen. Scholz' Vorstoß ist nicht unstrittig. Vor dem Telefonat hatte Scholz gesagt, er werde Putin nicht im Alleingang anrufen und vorher viele andere Gespräche führen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Scholz im Onlinedienst X vor, "die Büchse der Pandora" zu öffnen. Aus der Ukraine kam insbesondere dafür Kritik, weil der Westen Putin seit dem Angriff auf die Ukraine weitgehend isoliert hatte.

Quelle: ntv.de, mpa/dpa/AFP

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