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"Alle sehr dringend gebeten" Scholz rüffelt Koalitionäre - Bürger wollen mehr Führung

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Die Ampel-Koalition streitet seit Wochen ungehemmt auf offener Bühne über ein Gesetzesvorhaben. Vor allem Grüne und FDP gehen sich hart an. Nun mischt sich Kanzler Scholz ein und bittet um Klärung. SPD-Chef Klingbeil versucht sich derweil an einem Machtwort.

Kanzler Olaf Scholz fordert von den Fraktionen der Ampel-Koalition ein Ende des Streit über das Heizungsgesetz. Er habe "alle sehr dringend gebeten, dass sie in den nächsten Wochen die konkreten Fragen, die alle lösbar sind, miteinander lösen", sagte der SPD-Politiker in Berlin. "Mein Eindruck: Genauso wird es gehen." Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck lud die zuständigen Fraktions-Experten von SPD, Grünen und FDP zum Austausch über das Gesetz ein. In einer RTL/ntv Forsa-Umfrage gaben derweil 81 Prozent der Befragten an, dass Scholz ihrer Meinung nach stärker führen müsse. Selbst drei von vier SPD-Anhängern stimmen dem zu.

Zuvor hatte es einen weiteren heftigen Schlagabtausch vor allem mit der FDP gegeben, die die Einbringung des vom Kabinett beschlossenen Entwurfs zum Gebäudeenergiegesetz in den Bundestag verhindert hatte. SPD-Chef Lars Klingbeil forderte die FDP auf, für einen Kompromiss zu sorgen. Habeck räumte ein, dass sich die Ampel-Koalition viel zu oft streite. Die Ergebnisse müssten besser verkauft werden.

FDP-Chef Christian Lindner wies den Vorwurf zurück, die Liberalen wollten das Gesetz verhindern. "Nichtstun ist keine Option", sagte der Bundesfinanzminister. Das wäre nicht verantwortbar, weil die Klimaziele erreicht werden müssten. Gleichzeitig könne man den Bürgern aber nichts Unmögliches abverlangen.

Ampel-Krisengruppe tagt erstmals

Am heutigen Donnerstag tagte erstmals die neu eingesetzte Arbeitsgruppe aus drei Fraktions-Vizes, um über einen Ausweg zu beraten. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sprach im Anschluss lediglich von "konstruktiven Gesprächen". Sein FDP-Kollege Lukas Köhler sagte, es sei "völlig normal, bei einem Thema, das die Gesellschaft so bewegt, auch innerhalb einer Koalition sehr intensiv darüber zu ringen".

Verärgerung bei den Partnern hatte nicht so sehr die inhaltliche Debatte, sondern vor allem das Vorgehen der FDP ausgelöst. Denn der Gesetzentwurf war vom Bundeskabinett einstimmig - und damit auch von den FDP-Ministern - gebilligt und an den Bundestag versandt worden. Änderungen am Gesetzentwurf erfolgen normalerweise nach einer ersten Lesung im Parlament. Aber genau diese Einbringung verweigerte die FDP, weshalb der Zeitplan ins Wanken gerät, das Gesetz noch vor der Sommerpause im Bundestag zu beschließen.

Stattdessen sandten die Liberalen einen ausführlichen Fragenkatalog an das Wirtschafts- und Bauministerium. SPD und Grüne werfen den Liberalen deshalb vor, allein aus Parteikalkül zu handeln. Finanzminister Lindner wies dies zurück. "Das Gesetz ist fertig, wenn es gut ist. Dann kann es beschlossen werden", betonte er.

SPD-Chef besteht auf Zeitplan

Der Gesetzentwurf sieht im Kern vor, dass neue und ausgetauschte Heizungen ab 2024 mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden müssen. Die von der FDP geforderte Technologieoffenheit sei im Entwurf längst enthalten, betonen SPD und Grüne. Die Grünen warfen der FDP Wortbruch, eine Blockadepolitik und intern auch Regierungsunfähigkeit vor.

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Auch SPD-Chef Klingbeil gab den Liberalen die Schuld für die Verzögerung. "Das Gesetz wird bis zur Sommerpause verabschiedet und zum 1. Januar in Kraft treten", sagte er im "Spiegel" voraus. In Richtung Grüne kritisierte er, dass man das Gesetz zunächst ohne die nötige soziale Förderung diskutiert habe. Klingbeil schlug zudem erneut die von der FDP abgelehnte Einführung einer Reichensteuer vor. Habeck mahnte, die Ampel-Koalition müsse aufhören, schlecht übereinander zu reden. Die persönlichen Verhältnisse der Regierungsmitglieder seien eigentlich über Parteigrenzen hinweg sehr gut, fast freundschaftlich.

Bei den Bürgern sieht es hinsichtlich der "Schuldfrage" derweil etwas anders aus: So gaben 40 Prozent der Menschen an, die Hauptverantwortung für die Auseinandersetzungen innerhalb der Ampel-Koalition bei den Grünen zu sehen. Knapp ein Drittel weist der FDP (31 Prozent) die Schuld zu. Kaum jemand (3 Prozent) sieht die SPD in der Verantwortung. Angesichts der zahlreichen Konflikte glaubt inzwischen nur noch jeder Zweite, dass das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP die Legislatur übersteht. 40 Prozent glauben hingegen an ein vorzeitiges Ende der Ampel.

Quelle: ntv.de, jwu/rts

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