Politik

"Das geht so nicht weiter!" Scholz will mit "Deutschland-Pakt" raus aus der Krise

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Bundeskanzler Scholz will raus aus der Dauerkrise von Land und Regierung: Im Bundestag stellt der Regierungschef seinen Plan vor, Deutschland wirtschaftlich wieder auf Kurs zu bringen. Länder, Kommunen und Opposition sollen daran mitarbeiten: Scholz streckt CDU-Chef Merz die Hand aus.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Bundestag eine neue Marschrichtung für seine Regierung vorgegeben: Gemeinsam mit den Regierungen der 16 Bundesländer sowie den Städten und Kommunen - und insbesondere zusammen mit der größten Oppositionspartei CDU/CSU - will der sozialdemokratische Regierungschef das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Deutschland fit für die Zukunft machen.

Mit einem klaren wirtschaftlichen Schwerpunkt reagierte Scholz in der Generaldebatte zum Haushalt sowohl auf die seit Monaten enttäuschenden Konjunkturdaten als auch auf die vielfältige Kritik an der Ampelregierung. Die SPD war am Vortag im RTL/ntv-Trendbarometer auf 16 Prozent gefallen, den niedrigsten Wert seit der Bundestagswahl 2021.

"Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung. Also lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln", sagte Scholz in Richtung Friedrich Merz, CDU-Chef und Vorsitzender der größten Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag. Die Menschen im Land warteten auf einen "Schulterschluss" der verantwortlichen Politiker. "Ich möchte Ihnen deshalb einen Pakt vorschlagen", sagte Scholz. "Sagen wir: einen Deutschland-Pakt." Scholz will die Schwerpunkte legen auf den Ausbau der Energieversorgung, den Wohnungsbau, der Modernisierung und Digitalisierung der Infrastruktur, der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und einen schnelleren und unkomplizierten Verwaltung. "Niemand kann zufrieden sein, wenn Deutschlands Wirtschaft nicht wächst", sagte Scholz. "Doch wir werden strukturelle Probleme nur mit strukturellen Antworten lösen."

Schneller, einfacher, digitaler

Wichtig ist Scholz vor allem die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, wo sich Länder und Kommunen zusammen mit dem Bund mehr anstrengen müssten. Scholz nahm insbesondere die Länder in die Pflicht, die teils Jahre bräuchten für Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Stromnetzes. "Das geht so nicht weiter", sagte Scholz. Andere Länder würden ganze Schnellzug-Linien bauen in der Zeit, die Deutschland für eine U-Bahn benötige. "Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch", sagte Scholz.

Der Bundeskanzler zählte eine Reihe von Maßnahmen auf, um Planung, Verwaltung und Genehmigung zu vereinfachen und zu beschleunigen. So sollen etwa Bauanträge bis Ende des Jahres in allen Bundesländern digital eingereicht werden können. "Schluss mit zwei Meter Aktenordnern für den Bau eines Solardachs oder einer Mobilfunkantenne", rief Scholz. Der Bund sei bei der Digitalisierung ein gutes Stück vorangekommen, sagte Scholz und kritisierte: "Länder und Kommunen haben bisher weniger als ein Viertel der zugesagten Leistungen online zugänglich gemacht." Dabei habe der Bund genügend Mittel bereitgestellt, die aber nicht abgerufen würden.

Doch nicht nur die Verwaltung soll besser werden, auch die materielle Infrastruktur. Scholz verwies auf 24 Milliarden Euro, die die Bahn in den kommenden vier Jahren zusätzlich erhalten soll. "Das ist das größte Investitionsprogramm in so kurzer Zeit seit der Dampflok", sagte Scholz. Einem schuldenfinanzierten Konjunkturprogramm, wie es die Grünen und Teile seiner SPD fordern, erteilte Scholz dagegen eine klare Absage. "Ich halte auch nichts von einem schuldenfinanzierten Strohfeuer namens Konjunkturprogramm, das die Inflationsbekämpfung der EZB konterkarieren würde."

Den "Mehltau" abschütteln

Wichtiger sei es, die Bedingungen für die Unternehmen zu verbessern. Hierfür werde es großzügige Abschreibungsregeln geben für Zukunftsinvestitionen von Unternehmen sowie für den Bau neuer Häuser und Wohnungen. Zudem finanziere die Bundesregierung aus dem Klima- und Transformationsfonds den Klimaschutz und die Modernisierung Deutschlands mit 110 Milliarden Euro. Es seien bereits Erfolge zu sehen, etwa bei der Ansiedlung von Halbleiter-Herstellern. Teil des Deutschland-Paktes müsse zudem sein, die Einwanderung von Arbeitskräften effizienter zu gestalten und gleichzeitig konsequenter abzuschieben, wer in Deutschland nicht bleiben darf.

"Nur gemeinsam werden wir den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheue und Verzagtheit abschütteln, der sich über Jahre hinweg auf unser Land gelegt hat", sagte Scholz. Deutschland müsse seine Kraft "zusammennehmen und gemeinsam anpacken". Zugleich versprach Scholz, dass die Bundesregierung ihrerseits geschlossener agieren will als zuletzt. Die Bürger wollten kein "Schattenboxen" im Bundestag. "Das ist mein Anspruch an uns alle: an die Regierungsparteien, die in den vergangenen Monaten zu laut gestritten haben. Und genauso an die demokratische Opposition."

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Nicht Teil der Rede war der aus der SPD-Fraktion mit Verve geforderte zeitlich begrenzte Industriestrompreis. Scholz lehnt gemeinsam mit der FDP einen vom Staat subventionierten Strompreis für energieintensive Unternehmen ab. Dagegen sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese noch kurz vor Scholz' Rede dem Sender Phoenix: "Wir brauchen diesen Industriestrompreis händeringend." Damit drohen Scholz also auch innerhalb der SPD weiter Kontroversen zum richtigen Kurs für mehr Wirtschaftswachstum.

Erkennbar war Scholz' Rede auch eine Reaktion auf die anhaltenden Umfrageerfolge der AfD. Diese Partei sei "ein Abbruchkommando für unser Land", sagte der Kanzler. Mit seinem Deutschland-Pakt wolle Scholz denen etwas entgegensetzen, "die politischen Profit schlagen wollen aus Abstiegsszenarien und Panikmache". Damit versuchte Scholz den CDU-Chef in die Pflicht zu nehmen, nachdem dieser in seiner Eröffnungsrede kein gutes Haar an der Wirtschaftspolitik der Ampel vorgeworfen hatte. Dass er als Oppositionschef mit Scholz zusammenarbeiten wollte, war aus dieser Rede nicht herauszuhören.

Quelle: ntv.de

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