Politik

Regierungserklärung in der Krise Scholz übt sich in Optimismus

Scholz' Ton war selbstbewusst und optimistisch. Putin sei mit seinem Angriffskrieg "eigentlich schon gescheitert", sagt er.

Scholz' Ton war selbstbewusst und optimistisch. Putin sei mit seinem Angriffskrieg "eigentlich schon gescheitert", sagt er.

(Foto: AP)

Fast acht Monate ist es nun her, dass Russland die Ukraine überfiel. In seiner ersten Regierungserklärung seit vier Monaten nennt Kanzler Scholz fünf Belastungsproben. Er zählt auf, was die Ampelkoalition bereits dafür getan hat. Probleme blendet er aus.

Seit Wochen hatte die Opposition Kanzler Olaf Scholz aufgefordert, seine Politik im Bundestag zu erklären - nun hielt er seine nunmehr dritte Regierungserklärung seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Die Lage ist nicht gerade einfach: Seine Ampelkoalition ist nach dem heftigen Streit um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ramponiert, bei den Waffenlieferungen ist sie zerstritten und es ist noch immer nicht klar, wie genau die Bundesregierung Haushalten und Unternehmen beim Gaspreis unter die Arme greifen will. Gerade korrigierte das Wirtschaftsministerium seine Konjunkturprognose nach unten. Für das kommende Jahr erwartet es nun eine Rezession. Unternehmen gehen in Deckung, Privatleute kriechen in kalten Wohnungen unter die Decke. Droht eine Pleitewelle?

Scholz versuchte an diesem Morgen Optimismus zu verbreiten. Der Ton war selbstbewusst: "Putin hat geglaubt, uns Europäer spalten zu können. Doch er hat das Gegenteil erreicht", sagte er. Oder: "Putin hat gehofft, uns mit dem Abdrehen des Gashahns erpressen zu können. Doch auch da hat er sich verrechnet. Denn Europa steht zusammen." Und weiter: "Gemeinsam kommen wir wohl durch diesen Winter." Dass die Gasspeicher zum Winterbeginn zu derzeit 96 Prozent, lobte er als "große Leistung". Volle Gasspeicher sind allerdings kein Garant dafür, dass das Gas auch für den gesamten Winter reicht, betonen Experten.

Neues zu verkünden hatte Scholz nicht. Die Rede glich einer Bestandsaufnahme der bislang ergriffenen Maßnahmen - und dem, was er als Erfolge darstellte. Erwartungsgemäß handelte er sich Kritik der Opposition ein. So hielt ihm Unionsfraktionschef Friedrich Merz vor, dass Deutschland keine Kampfpanzer westlicher Bauart liefere - eine Forderung, die auch in der FDP und bei den Grünen Sympathien hat. Merz griff Scholz' auch für seine Tendenz an, zu behaupten, alles immer schon vorher gewusst zu haben. Wenn sich Scholz schon Ende 2021 sicher gewesen sei, dass Putin angreifen werde, fragte Merz den Kanzler, warum habe er denn dann noch an Nordstream 2 festgehalten?

"Wir sind nicht schwach"

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte, die Atomkraftwerke noch länger laufen zu lassen und auch neue Brennstäbe zu bestellen - genau das Streitthema, das der Kanzler am Montag mit einem Machtwort geregelt hatte. Scholz ging auf die regierungsinternen Querelen erwartungsgemäß nicht ein und widmete sich lieber dem großen Ganzen. Er stilisierte die Situation zu einem Kampf "Wir gegen Putin" und versuchte in kurzen Sätzen und einfachen Worten Stärke zu demonstrieren. "Er (Putin) spekuliert auf unsere Schwäche. Aber er irrt sich. Wir sind nicht schwach."

Dabei haben die Ukraine und ihre Verbündeten im Westen mittlerweile ein gewisses Momentum im Rücken. Die Ukraine erobert dank der Waffenlieferungen Gebiete zurück, hat die Initiative auf dem Schlachtfeld übernommen. Selbst die russische Propaganda räumt mittlerweile zähneknirschend ein, dass es Probleme gibt. Auch die Einheit der EU, das Bündnis mit den Amerikanern und selbst die eigene Energieversorgung halten bislang stand. Putin drehte Deutschland das Gas ab, dessen Preis daraufhin explodierte - doch Norwegen und nun auch Frankreich, zum ersten Mal überhaupt, sprangen ein. Die Gaspreise sind wieder etwas gesunken.

Dennoch ist die Einheit der Europäer fragil. Gerade erst wurden die deutsch-französischen Regierungskonsultationen abgesagt, die das Symbol der engen Verbundenheit ist. Jetzt ist das Verhältnis am Tiefpunkt. Viele Europäer ärgern sich über den deutschen Energiepreis-Abwehrschirm. Dass der "Doppelwumms" 200 Milliarden Euro schwer ist, finden mehrere Länder zu viel. Deutschland verschaffe sich hier einen Vorteil, während die Wirtschaft anderswo den Bach heruntergeht, so die Klage sinngemäß. Scholz ging in seiner Rede darauf ein und betonte, dass die Summe sich ja auch auf zweieinhalb Jahre erstrecke. In Paris verhallt diese Erklärung, die Scholz nicht zum ersten Mal probierte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte am Nachmittag, es sei nicht gut für Europa, wenn Deutschland sich isoliere.

Bei Waffenlieferungen geht Deutschland nicht voran

Doch in der EU gibt es weitere Vorbehalte - dass Deutschland grundsätzlich am Atomausstieg festhält, dürfte viele enttäuschen. Zumal jetzt alle gemeinsam Energie sparen müssen, weil Deutschland Jahre und Jahrzehnte dank russischem Gas prosperierte und nun die Rechnung dafür kassiert. Dann ist da noch Ungarns Präsident Viktor Orban, der offen mit Putin sympathisiert und der Streit um den Ringtausch mit Polen.

Scholz sprach von fünf Bewährungsproben: Dem Krieg in der Ukraine, drohende Hungersnöte, Energie als Waffe, die Inflation und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Er verwies auf die eigenen Waffenlieferungen, wobei unter den Tisch fiel, dass die entscheidende Hilfe aus den USA kommt und Deutschland auch innerhalb Europas nicht vorangeht - das Land liegt auf Platz 3, gemessen an seiner Wirtschaftskraft aber nur auf Rang 16. Er bekannte sich zu den Klimazielen, obwohl gerade wieder Kohlekraftwerke ans Netz gehen. Bislang dauerte es sieben Jahre bis ein Windkraftwerk gebaut ist. Scholz versprach, dass bis Jahresende alle Regeln stehen, um den Ausbau voranzutreiben.

Am optimistischsten klang Scholz am Ende seiner Rede. Putin sei mit seinem Kriegskurs "eigentlich" schon gescheitert, sagte er. Die Ukraine, Deutschland und Europa würden gestärkt aus diesen Bewährungsproben hervorgehen - "geeinter und unabhängiger als zuvor", versprach der Bundeskanzler. Dass die entscheidende Phase der Bewährungsprobe, der bevorstehende Winter, noch gar nicht begonnen hat, erwähnte Scholz nicht.

Quelle: ntv.de

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