Es geht hoch her bei Asyl-Gipfel Scholz wirft CDU-Länderchefs "Intrige" gegen Merz vor
06.11.2023, 23:15 Uhr Artikel anhören
Rauer Ton: Scholz und Rhein bei der Pressekonferenz zu Beginn ihres Gipfels.
Spät am Abend wollen die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler eine Einigung beim Thema Migration finden. Doch der Ton ist rau. Olaf Scholz wittert Uneinigkeit in der Union - und unterstellt den Länderchefs der CDU eine "Intrige" gegen ihren Parteivorsitzenden.
Der lang erwartete Showdown beim Streit zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Bundesregierung und Opposition um das Thema Zuwanderung nähert sich dem Höhepunkt. Seit dem frühen Abend verhandeln die Ministerpräsidenten im Bundeskanzleramt mit dem Regierungschef der Republik um das Streitthema der vergangenen Wochen schlechthin. Im Verlauf der Gespräche wirft Olaf Scholz den Länderchefs der CDU nach Informationen von RTL und ntv nicht weniger als eine "Intrige" gegen ihren eigenen Parteichef vor - gegen den CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz.
Anlass für Scholz' Vorwurf ist die Forderung der Länder nach einer Bund-Länder-Kommission zur künftigen Ausgestaltung der Migrationspolitik. Diese hatten die sogenannten B-Länder - also die von CDU und CSU geführten Landesregierungen sowie das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg - zusammen mit weiteren Vorschlägen am Montag kurzfristig beim Vorab-Treffen aller Ministerpräsidenten eingebracht. Die 16 Länder übernahmen diese Forderung schließlich in das gemeinsame Positionspapier. Andere Wünsche der B-Länder, wie etwa die Forderung nach einer Ausweitung der sichereren Herkunftsstaaten oder die Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten, kamen nicht in das gemeinsame Papier. Mit drei Stunden Verzögerung fuhren die Ministerpräsidenten schließlich im Kanzleramt vor.
Konkurrenz um Kanzlerkandidatur
Bundeskanzler Scholz witterte offensichtlich einen Widerspruch innerhalb der CDU: Erst am Freitag hatte er zusammen mit Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt über einen Deutschlandpakt in der Migrationspolitik verhandelt. Nun aber reklamierten plötzlich die Ministerpräsidenten der Union die Verhandlungen mit dem Bund über die künftige Migrationspolitik für sich - im Rahmen der genannten Kommission. Versuchten hier die CDU-Ministerpräsidenten tatsächlich, Merz das Heft des Handelns zu entreißen? Zumindest Scholz deutete das so und ließ das Wort "Intrige" fallen.
Seit Monaten gärt es in der CDU ob der Konkurrenz zwischen Merz und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Beiden werden Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur der Union 2025 nachgesagt. Merz hatte Wüst wiederholt verdächtigt, er wolle gegen ihn aufbegehren. Am Wochenende machte Wüst mit seiner Forderung auf sich aufmerksam, nach dem sogenannten "Ruanda-Modell" illegal nach Deutschland eingereiste Asylsuchende künftig in einem Drittstaat außerhalb der Europäischen Union unterzubringen. Am Montagmorgen überraschten die Unionsländer schließlich die SPD-regierten Länder mit dieser und weiteren Forderungen für das Treffen mit dem Bundeskanzler.
Wüst, nicht Merz
In einer kurzen Pressekonferenz vor dem Gipfel mit Scholz versuchte Boris Rhein, christdemokratischer Regierungschef von Hessen und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, den Schwenk zu erklären. "Wie es halt eben oft so ist: Dinge ereignen sich, Dinge entwickeln sich weiter", sagte der CDU-Politiker. "Das ist nicht die Übernahme von Punkten der CDU Deutschland oder von Friedrich Merz oder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion." Die neu eingebrachten Forderungen der Unionsländer seien "Punkte, die an der einen oder anderen Stelle eine gewisse Deckungsgleichheit aufbieten, aber das sind Punkte, die den Ländern besonders wichtig sind."
Dann wurde Rhein deutlich, von wem die Initiative ausging: "Wenn Friedrich Merz uns Punkte hätte diktieren können, dann wären es vielleicht andere Punkte als diese Punkte gewesen. Ich will nur mal die Drittstaatenfrage nennen: Da muss ich ja nicht um den heißen Brei herumreden, das haben sie ja in den vergangenen Tagen verfolgt, ist insbesondere eine Frage des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten."
Weder ein ausbuchstabiertes "Ruanda-Modell", wie es Wüst vorschwebt, noch die Bund-Länder-Kommission waren Teil des 26-Punkte-Papiers der Unionsfraktion. Dieses aber war Grundlage der Forderungen, die Merz und Dobrindt an Scholz herangetragen haben. Wüst hatte am Morgen im "ntv Frühstart" gesagt: "Der zentrale Punkt ist heute, dass wir irreguläre Migration beenden." Dass es in der CDU derzeit mindestens zwei Politiker gibt, die beim Thema Migration als Wortführer auftreten wollen, ist auch Scholz nicht entgangen.
Quelle: ntv.de, shu