Brandenburger CDU-Chef Redmann "Schulterschluss-Debatten helfen am Ende nur der AfD"
27.08.2023, 06:47 Uhr Artikel anhören
Greift gelegentlich zum Megaphon: Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann.
(Foto: imago images/Martin Müller)
Die CDU erlebt einen enttäuschenden Sommer, während die AfD zur aktuell zweitstärksten Kraft aufgestiegen ist - zumindest Umfragen zufolge. Im kommenden Jahr kommt der Moment der Wahrheit, wenn in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt wird. Der Brandenburger CDU-Chef und voraussichtliche Spitzenkandidat Redmann sagt im Interview, wie er mit den Rechtspopulisten umgeht und keilt gegen die Ampel.
ntv.de: In gut einem Jahr wird in drei ostdeutschen Ländern gewählt. Sie werden voraussichtlich die CDU in Brandenburg in den Wahlkampf führen. In Ihrem Bundesland ist die AfD derzeit stärkste Kraft. Macht Sie das nervös?
Jan Redmann: Das Entscheidende sind die Wahlergebnisse und nicht die Umfragen. Aber diese Werte zeigen, dass die CDU und auch die anderen Parteien ihre Hausaufgaben machen müssen, damit das so nicht bleibt.
Wie erklären Sie sich diese Umfragen? Der Kabarettist Harald Schmidt sprach in einem Interview vom "Schnauze-Voll-Faktor".
Ich glaube, da ist etwas dran. Wir wissen auch aus Befragungen, dass ein Großteil der AfD-Wähler gar nicht die Hoffnung hat, dass mit der AfD etwas besser wird. Sie wollen den etablierten Parteien zeigen, dass sie unzufrieden sind. Ich kann aber auch nachvollziehen, dass es bei vielen Menschen eine Frustration gibt.
Warum?
Ich habe vergangene Woche einen Heizungsbauer einen Tag lang begleitet und Menschen besucht, die sich für eine neue Heizung interessieren. Da zeigt sich, wie sehr der Streit um das Gebäudeenergiegesetz zu Verunsicherung geführt hat. Wenn eine alleinstehende Verkäuferin auf dem Dorf hört, ihre neue Hybridheizung soll 30.000 Euro kosten, dann hat diese Frau schlaflose Nächte.
Nach dem aktuellen Gesetzentwurf würde sie aber auch eine umfangreiche Förderung von bis zu 70 Prozent bekommen.
Die wiegt das aber mitnichten auf. Hinzu kommt, dass eine Wärmepumpe erst wirtschaftlich ist, wenn der CO2-Preis stark gestiegen ist. Das wird aber womöglich erst in 10 oder in 15 Jahren der Fall sein. Die Lebensdauer einer Wärmepumpe kann aber schon nach 15 Jahren enden. Da kann ich durchaus nachvollziehen, dass sich Leute dafür entscheiden, eine neue Gasheizung einzubauen.
Sie haben vorhin den Protest-Faktor bei der AfD erwähnt. Wie groß ist aber der harte Kern, der die AfD wählen will, weil sie ist, wie sie ist?
Natürlich gibt es auch die überzeugten AfD-Wähler. Ich würde aber sagen, der überwiegende Teil wünscht sich eine bessere Politik und bringt den Unmut über die gegenwärtigen Probleme zum Ausdruck.
Was wäre denn bessere Politik?
Eine bessere Politik orientiert sich nicht allein an den Großstädten. Brandenburg ist ländlich geprägt und dünn besiedelt. Dass diese Lebensrealität so wenig in den politischen Prozess einfließt, das sorgt für Frust.
Aber die Rot-Schwarz-Grüne Landesregierung in Potsdam tut das doch sicher, oder?
Wir als Landesregierung tun das. Die Bundespolitik wird aber stärker wahrgenommen und die nimmt die Probleme nicht ausreichend wahr. Ein Beispiel ist das 49-Euro-Ticket. In meiner Heimatregion werden nicht viele davon verkauft worden sein. Dafür fehlen einfach die Angebote im ÖPNV. Gleichzeitig fehlt durch das 49-Euro-Ticket uns als Land das Geld dafür, das Angebot zu verbessern. Denn das Ticket kostet uns sehr viel Geld.
Wie sehr hilft das Flüchtlingsthema Ihrer Ansicht nach der AfD?
Der große Unmut im Flüchtlingsbereich entsteht dadurch, dass wir zu wenig dafür tun, dass wir unsere Regeln einhalten können. Faktisch bleibt fast jeder hier, der es irgendwie nach Deutschland geschafft hat. Abschiebungen sind sehr aufwendig und in vielen Fällen gar nicht möglich. Wir müssen dazu kommen, dass nicht mehr jeder Einzelne entscheiden kann, wo er sein Verfahren durchgeführt haben will. Wir müssen in der Europäischen Union darüber entscheiden, wem wir Schutz gewähren und wo dieser gewährt wird.
Sind Sie für die Kontingentregelung wie sie CDU-Politiker wie Thorsten Frei und Jens Spahn fordern? Also beispielsweise zu sagen: Wir nehmen 400.000 Flüchtlinge auf und nicht mehr?
Ich finde diesen Vorschlag wirklich überlegenswert. Wir müssen sehen, dass wir Hunderte Millionen Menschen auf der Welt haben, die Schutzansprüche geltend machen können. Wir können aber nicht allen Schutz gewähren. Ich erlebe das auch in Brandenburg. Da gibt es jene, die auf eigene Faust gekommen sind und jene, die über unser Brandenburger Aufnahmeprogramm ins Land kommen. Die kommen aus einem Flüchtlingslager in Jordanien. So haben wir einige Hundert aufgenommen. Das sind wirklich Schutzbedürftige, beispielsweise alleinstehende Frauen mit teilweise kranken Kindern. Ich würde mir wünschen, dass wir unsere Kapazitäten stärker auf diese wirklich Schutzbedürftigen konzentrieren und entschiedener dabei sind, jene zurückzuweisen, die diesen Schutz nicht brauchen.
Sie fordern auch stationäre Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze.
Wir haben in Brandenburg in diesem Jahr wieder einen starken Zulauf bei den Flüchtlingen, die nicht aus der Ukraine kommen. Die kommen über die Belarus-Route aus aller Herren Länder zu uns und sind mitnichten alles Kriegsflüchtlinge. Dass es hier bislang keine ausreichenden Maßnahmen gibt, um unser eigenes Regelwerk zur Frage umzusetzen, wer bleiben darf, führt natürlich zu Frustration. Das müssen wir entschlossener angehen. Ich habe mir vergangene Woche die Grenzkontrollen zu Österreich in Bayern angeschaut. Das kann ich mir auch für Brandenburg vorstellen.
Ist es Ihre Strategie als CDU, sich möglichst weit nach rechts zu lehnen, um AfD-Wähler anzusprechen?
Die CDU unterscheidet sich grundlegend von der AfD, allein schon dadurch, dass sie staatstragend ist. Wir stehen zu den Institutionen, nehmen die Demokratie ernst und betrachten Parlamente nicht als Fleischtöpfe, wie die AfD. Insofern ist es Aufgabe der Union, nur Dinge zu fordern, die tatsächlich auch umsetzbar sind. Wir sind keine populistische Partei, sondern eine, die die Probleme wahrnimmt, sie nicht verleugnet und sie offen anspricht. Wir entwickeln Lösungen, die in der Praxis funktionieren.
Aber rein rechtlich ist es nicht möglich, stationäre Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Polen wieder einzuführen. Insofern ist es schon etwas populistisch, das zu fordern.
Doch, das ist möglich. Es gilt ja kein anderes europäisches Recht für die Grenze zu Österreich als für die Grenze zu Polen. Brandenburg kann dem bayerischen Beispiel bisher aber nicht folgen, weil die Bundesregierung diese Grenzkontrollen bei der EU anzeigen müsste. Das ist nicht einmal zustimmungspflichtig. Das hatte damals Ministerpräsident Seehofer für Bayern durchgesetzt. Jetzt weigert sich Innenministerin Faeser das zu tun, obwohl die Ministerpräsidentenkonferenz die Bundesregierung bereits im Mai dazu aufgefordert hat. Sie kommt dem aber einfach nicht nach.
Aber Flüchtlinge abweisen könnte man nicht.
Doch. Es gibt Fallgruppen, in denen Zurückweisungen erfolgen können. Zum Beispiel all jene, für die eine Einreisesperre gilt. Das sind Personen, die hier ein Verfahren durchlaufen haben, nicht schutzberechtigt sind, und für die ein anderes europäisches Land zuständig ist. Das ist frustrierend für die Ausländerbehörden, wenn sie merken, dass jemand, der bereits ausgewiesen wurde, nach kurzer Zeit wieder da ist. Außerdem zeigt das bayerische Beispiel, dass es Erfolge gegen die Schleuserkriminalität, den Drogenschmuggel und Passvergehen gibt.
Ein anderes Thema aus der Weltpolitik ist die Inflation, die die Menschen ganz konkret spüren. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer fordert, Nordstream 1 wieder instandzusetzen, um nach dem Krieg wieder Gas aus Russland beziehen zu können. Ist das nicht populistisch, weil es nicht umsetzbar ist?
Ich glaube, man sollte Michael Kretschmer und vielleicht auch Ostdeutschland insgesamt zubilligen, dass wir einen etwas differenzierteren Blick auf Russland haben. Die Kontakte waren enger. 0stdeutschland hatte natürlich vor dem Ukrainekrieg auch nennenswerte wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. Da ist die Raffinerie in Schwedt nur ein Beispiel. Kretschmer hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass nach dem Krieg auch wieder wirtschaftliche Kontakte mit Russland aufgebaut werden sollten. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Auch mit Deutschland wurden nach einem Kriegsende und natürlich einem Systemwechsel wieder Handelsbeziehungen gepflegt.
Das wäre aber frühestens in einer Nach-Putin-Welt der Fall?
Zumindest in einer Welt, in der Vertrauen darin besteht, dass sich Russland wieder an Völkerrecht hält.
Also nach einem vollständigen Abzug Russlands aus der Ukraine?
Das heißt, dass man in der Ukraine zu einem Frieden kommt. Zu welchen Bedingungen, das kann ich nicht antizipieren.
Wie gehen Sie in Gespräche mit AfD-Wählern. Wie erreicht man sie?
Wir müssen Themen erkennen, bei denen es wirklich Probleme gibt, wie beispielsweise bei der Migration oder auch in der Wirtschaft. In Brandenburg erlebe ich, dass die AfD keine Gelegenheit auslässt, sich gegen Großinvestitionen wie beispielsweise die Tesla-Fabrik auszusprechen. Sie versuchen, Mittelstand und Handwerker gegen die große Industrie auszuspielen. Wenn wir aber mehr Arbeitsplätze und steigende Löhne wollen, wird gar kein Weg an Industrieprojekten vorbeiführen. Das müssen wir durchdeklinieren, die AfD dabei konfrontieren und sie nicht aus der Debatte entlassen. Da können wir auch noch besser werden.
Oft ist es so, dass die demokratischen Parteien sich zusammenschließen, um AfD-Kandidaten zu verhindern. Bei den Landratswahlen im thüringischen Sonneberg hat das nicht mehr geklappt. Ist diese Strategie am Ende?
Ich glaube, diese Schulterschlussdebatten helfen am Ende nur der AfD. Es ist wichtig zu zeigen, dass die Unterschiede innerhalb des demokratischen Spektrums erheblich sind, beispielsweise zwischen der CDU und den Grünen. Wir müssen den Eindruck vermeiden, die einen sind alle irgendwie gleich und die einzigen, die sich unterscheiden, sind die AfDler. Genau das sagt die AfD ja selbst. Die Menschen müssen erkennen, dass sie eine große Auswahl haben. Wir wünschen uns selbstverständlich eine Landesregierung, an der Linke und Grüne nicht beteiligt sind. Wenn man das möglich machen will, darf man nicht AfD wählen. Das werden wir im nächsten Jahr vor der Wahl deutlich machen.
Mit der AfD würden Sie aber nicht zusammenarbeiten.
Natürlich ist für uns eine Zusammenarbeit mit der AfD im Landtag, sei es als Koalition oder Duldung, ausgeschlossen. Dazu haben wir eine klare Beschlusslage.
Mit Jan Redmann sprach Volker Petersen
Quelle: ntv.de