Wahlkampf in Sachsen-Anhalt Schulze hat "was auf der Kirsche" und will die AfD schlagen
01.11.2025, 17:57 Uhr
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Die Redewendung vom Staffelstab passt hier nicht: Haseloff gratulierte Schulze (l.) mit einem Steuerrad zu Listenplatz 1.
(Foto: picture alliance/dpa)
In zehn Monaten wählt Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag. Das klingt so grau wie der Novemberhimmel über der Magdeburger Börde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es ist die vielleicht spannendste Wahl des Jahres - jetzt nominiert die CDU ihren Spitzenkandidaten.
Den Elefanten im Raum spricht Sven Schulze zum ersten Mal um 11:18 Uhr an. "Glaubt denn irgendjemand, dass die AfD oder die Linkspartei Lösungen für diese Probleme hat?", fragt der Chef der CDU Sachsen-Anhalt die rund 100 Parteifreunde, die in einem Saal in Oschersleben vor ihm sitzen.
Es ist die Frage, die die CDU durch den Wahlkampf tragen soll. Die Frage, die die gewaltige Zustimmung zur AfD im Bundesland in sich zusammenfallen lassen soll, die Luft rauslassen soll, wie aus einem Ballon. Die Frage, die entlarven soll, dass die "sogenannte Alternative", wie sie gern in der CDU sagen, eben nur Parolen habe, über Probleme rede, aber sie nicht löse. Die CDU hingegen, so wird die Partei es durchargumentieren, die habe Lösungen.
Schulze, der auch Wirtschaftsminister ist, bewarb sich an diesem Samstag als Spitzenkandidat seines Landesverbandes und wurde erwartungsgemäß gewählt, mit 90 von 99 Stimmen - ein gutes Ergebnis. 100 Delegierte der Kreisverbände hatten sich dazu in Oschersleben getroffen, einer 20.000-Einwohner-Stadt etwa 30 Kilometer westlich von Magdeburg. Offiziell stand auf der Tagesordnung, die Landesliste zu beschließen - mit Schulze auf Platz 1.
Abgeordnete ringt umstrittenem Kurze Listenplatz ab
Vor dem Treffen hatte es Kritik gegeben, dass kaum Frauen auf der Landesliste auftauchen, vor allem auf den oberen Plätzen nicht. Die frühere Bildungsministerin Eva Feußner hatte aus Protest sogar auf ihren Listenplatz verzichtet. Nun eroberte die Abgeordnete Sandra Hietel-Heuer Listenplatz 8 von Markus Kurze, der wegen Belästigungsvorwürfen umstritten ist.
Dieses Listenplatzscharmützel lenkte etwas davon ab, was der inoffizielle Sinn dieses Termins war: Schulze Rückenwind verpassen und einander Mut machen für den beginnenden Wahlkampf. Dazu war es gar nicht unpassend, dass sich die CDU am Rande der überregional bekannten Rennstrecke getroffen hatte. Denn ein Rennen wird der Wahlkampf werden, vor allem zwischen CDU und AfD um Platz 1. Wobei man schon Fantasie braucht, um einen CDU-Sieg für möglich zu halten.
Laut einer Insa-Erhebung von Mitte Oktober könnte die AfD derzeit mit 40 Prozent rechnen. Selbst eine absolute Mehrheit der AfD scheint nicht ausgeschlossen. Die CDU ginge mit 26 Prozent durchs Ziel. Nur wenn sie mit SPD, Grünen und Linken zusammenarbeiten würde, käme sie auf mehr Sitze als der gesichert rechtsextreme AfD-Landesverband.
Keine Koalitionsaussage
Doch dann hätte die AfD die CDU genau da, wo sie sie haben will. Sie könnte wieder sagen: Seht her, die versprechen viel und am Ende setzen sie rot-grüne Politik um. Wenig überraschend sagte Schulze, er wolle nicht über Koalitionen reden, lieber erstmal abwarten, erstmal für ein starkes CDU-Ergebnis kämpfen. Den Satz wird er in den kommenden zehn Monaten vermutlich noch oft wiederholen.
Noch steht der neue Mann Schulze im Schatten des Landesvaters. Seit 14 Jahren ist Haseloff im Amt. Bei der Landtagswahl 2021 gelang ihm ein Erfolg, der seiner Partei bis heute Mut macht. Obwohl die CDU in Umfragen damals nur auf maximal 30 Prozent geschätzt wurde und die AfD auf mindestens 23, übertraf er alle Erwartungen. Am Ende holten Haseloff und die CDU 37,1 Prozent, die AfD nur gut 20.
Haseloff, der heimatverbundene Haudegen, hatte es allen gezeigt. Allerdings muss er sich heute fragen lassen, warum er nicht längst zugunsten von Schulze abgedankt hat. Wäre Schulze bereits Ministerpräsident geworden, hätte er einen Amtsbonus aufbauen können. Gebrauchen könnte er ihn.
"Die können es nicht!"
Einig sind sich Schulze und Haseloff in der Ablehnung der AfD. Er werde oft nach einer Zusammenarbeit gefragt, erzählt der Spitzenkandidat. Ob man die AfD so nicht entzaubern könnte, wenn sie mitregiert. Doch für Schulze keine Option: "Das ist meine Heimat, das ist mein Sachsen-Anhalt. Das wird nicht ein Experimentierfeld für irgendjemanden", ruft er in den Saal. Es stimme auch nicht, dass die AfD noch nie gezeigt habe, was sie könne. Im Landtag sehe man ja, was die könnten. "Die haben nichts auf der Kirsche, die können es nicht!"
So klar und deutlich wie sich Schulze von der AfD abgrenzt, ist das in Sachsen-Anhalt nicht selbstverständlich. Vor einigen Jahren hatte der Landtagsabgeordnete Ulrich Thomas sich offen für eine Koalition mit der AfD gezeigt. In einem Papier hieß es, man müsse "das Nationale mit dem Sozialen" versöhnen, was eine Kontroverse auslöste. An der Basis können viele ohnehin nicht verstehen, warum die Trennung so scharf gezogen wird.
"Ich bin überzeugt: Am 6. September 2026 werden wir die Wahl gewonnen haben", ruft Schulze den Delegierten zu. Das Ziel alle 41 Wahlkreise gewinnen - beim letzten Mal gelang das fast, die AfD holte nur ein Direktmandat. Bei der Bundestagswahl im Mai sah es anders aus. Da gewann die AfD alle.
Quelle: ntv.de