Illegale Migration über Belarus Seehofer schlägt Polen Grenzpatrouillen vor
19.10.2021, 17:24 Uhr
Bundesinnenminister Seehofer schlägt gemeinsame Patrouillen an der deutsch-polnischen Grenze vor.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Die vielen illegalen Einreisen auf der Migrationsroute über Belarus befeuern eine Debatte über Kontrollen an der Grenze zu Polen. Der Bundesinnenminister versucht es mit einem anderen Vorschlag. Die Bundesländer bereiten sich auf steigende Flüchtlingszahlen vor.
Bundesinnenminister Horst Seehofer will die vielen unerlaubten Einreisen über die Belarus-Route nach Deutschland mit verstärkten deutsch-polnischen Patrouillen bremsen. Diese sollten vorrangig auf polnischem Gebiet stattfinden und lägen unterhalb der Schwelle von Grenzkontrollen, schrieb der CSU-Politiker an seinen Kollegen Mariusz Kaminski in Warschau. Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Inzwischen stocken viele Bundesländer ihre Asylunterkünfte auf, um Ankömmlinge unterzubringen.
An der Ostgrenze waren seit Sommer rund 5000 Menschen aus dem Irak, Syrien und anderen Krisengebieten festgestellt worden, die über Belarus und Polen unerlaubt nach Deutschland kamen. Dahinter steht aus Sicht der Europäischen Union der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko. Dieser hatte als Reaktion auf EU-Sanktionen erklärt, er werde Migranten mit Ziel EU nicht mehr aufhalten. Außenminister Heiko Maas nennt Lukaschenko den "Chef eines staatlichen Schleuserrings".
Die vielen Einreisen bergen auch Konfliktstoff mit Polen. Denn eigentlich müsste das EU-Land die Ankommenden registrieren und ihnen ein Asylverfahren ermöglichen - was aber in vielen Fällen nicht geschieht. Stattdessen reisen die Menschen - oft mithilfe von Schleusern - weiter nach Deutschland. Hier werden deshalb Rufe laut, vorübergehend wieder Kontrollen an der Grenze zu Polen einzuführen - einer EU-Binnengrenze, an der üblicherweise freie Fahrt herrscht. Seehofers Vorschlag liefe darauf hinaus, diese Grenzkontrollen zu vermeiden, aber die Migranten trotzdem auf polnischem Gebiet zu stoppen.
Er schrieb an Polens Innenminister Kaminski: "Angesichts der gemeinsamen Herausforderungen halte ich es für sinnvoll, dass unsere beiden Grenzschutzbehörden ihre bewährten gemeinsamen Streifen entlang der deutsch-polnischen Grenze - unterhalb der Schwelle einer vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen - spürbar wieder verstärken." Diese Streifen sollten "primär auf polnischem Hoheitsgebiet zum Einsatz kommen, selbstverständlich unter Leitung polnischer Grenzschutzangehöriger".
Deutschland schickt mehr Migranten nach Polen zurück
Seehofer will am Mittwoch im Bundeskabinett mögliche Schritte gegen die illegale Migration erläutern. Bereits jetzt schickt Deutschland zunehmend aus Belarus über Polen einreisende Migranten in das Nachbarland zurück. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden im August und September 104 beziehungsweise 108 Rücknahmeanträge von deutschen Behörden gestellt. In den beiden Monaten stimmte Polen in 128 Fällen der Rücküberstellung zu. Im Juli hatte es nur 37 Rücküberstellungs-Anträge und -Zusagen gegeben. Zuvor pendelte die Zahl um die 65 pro Monat.
Polen seinerseits weitet angesichts der anhaltend steigenden Flüchtlingszahlen seinen Grenzschutz zum Nachbarland Belarus massiv aus und setzt zunehmend auch das Militär ein. Derzeit seien im Grenzgebiet knapp 6000 Soldaten im Einsatz und damit doppelt so viele wie noch am Wochenende, teilte das Verteidigungsministerium in Warschau mit. Die Soldaten unterstützten die Grenzpolizei und versuchten, illegale Grenzübertritte zu verhindern, erklärte Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak. Nach Angaben des Grenzschutzes gab es allein am Montag 612 versuchte illegale Einreisen aus Belarus.
Bundesländer stocken Flüchtlingsunterkünfte auf
Derweil stellen sich mehrere Bundesländer auf steigende Flüchtlingszahlen ein - wegen der neuen Route, aber auch, weil die Zahlen 2020 wegen Corona ungewöhnlich gering waren. Das Land Berlin will nach offiziellen Angaben innerhalb von vier Wochen fünf Unterkünfte mit zusammen 1200 Plätzen eröffnen. Dort wurden bis Ende September rund 5000 Ankömmlinge gemeldet und damit bereits mehr als im gesamten Vorjahr (4589).
Brandenburg hat allein im Oktober in der Erstaufnahme 2000 Menschen registriert, hat aber nach Angaben des Innenministeriums noch Kapazität. In Sachsen gab es bis Ende September 5539 Asylsuchende - im Oktober waren es bisher bereits rund 1000. Auch Hessen und Baden-Württemberg verzeichnen deutlich mehr Asylbewerber und wollen ihre Kapazitäten aufstocken.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/rts