Politik

Ukrainische Kinder verschleppt Selenskyj lobt Haftbefehl gegen Putin als "historische Entscheidung"

Russland verschleppt Tausende ukrainische Kinder nach Russland. Das Weltstrafgericht erlässt deshalb Haftbefehl gegen Kremlchef Putin. Von einer "historischen Entscheidung" spricht der ukrainische Staatschef Selenskyj, auch US-Präsident Biden bezeichnet sie als "gerechtfertigt". Moskau zeigt sich unbeeindruckt.

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehl gegen Russlands Präsident Wladimir Putin erlassen. Er wirft ihm vor, verantwortlich für Kriegsverbrechen in der Ukraine zu sein. Konkret geht es um die Deportation von Kindern aus der Ukraine nach Russland. Es gebe begründeten Anlass zu der Annahme, dass Putin die strafrechtliche Verantwortung für die aufgeführten Verbrechen trage, da er sie direkt begangen oder durch mangelnde Kontrolle nicht verhindert habe, teilte der IStGH mit. Zugleich erließ der Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen die 38-jährige Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, zuständige Kommissarin für Kinderrechte im Büro des Präsidenten.

Moskau reagierte betont unbeeindruckt: "Russland erkennt genau wie eine Reihe anderer Länder die Zuständigkeit dieses Gerichts nicht an, deshalb sind die Entscheidungen dieses Gerichts aus rechtlicher Sicht nichtig", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. "Die Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs haben für unser Land keine Bedeutung, auch nicht in rechtlicher Hinsicht", erklärte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf ihrem Telegram-Kanal.

"Mann an der Spitze des terroristischen Staates"

Als "historische Entscheidung" bezeichnet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Putin. Nach seinen Angaben sind weit mehr als 16.000 Kinder verschleppt worden. "Es wäre unmöglich gewesen, eine solche kriminelle Operation ohne die Zustimmung des Mannes an der Spitze des terroristischen Staates durchzuführen", sagt er in seiner nächtlichen Video-Ansprache. Auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba begrüßt die Entscheidung. "Die Räder der Gerechtigkeit drehen sich", twitterte er. "Internationale Verbrecher werden für den Diebstahl von Kindern und andere internationale Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden." US-Präsident Joe Biden hält den Haftbefehl für "gerechtfertigt". Der Schritt sende "ein sehr starkes Signal", sagte Biden am Freitag (Ortszeit) vor Journalisten in Washington.

Bundesjustizminister Marco Buschmann befürwortet ebenfalls die Entscheidung. "Wer wie Putin einen blutigen Krieg angezettelt hat, sollte sich dafür vor Gericht verantworten müssen", sagte der FDP-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Die beste Lösung ist es, wenn eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof erhoben werden kann." Daneben gelte es, auch weiterhin über andere Modelle nachzudenken, "wie wir eine konsequente Strafverfolgung umsetzen, etwa mit einem Sondertribunal zur Verfolgung des Verbrechens des Angriffskrieges", fügte Buschmann hinzu.

Beide Haftbefehle gehen den Angaben zufolge auf Anträge der Staatsanwaltschaft am 22. Februar zurück. Der Staatsanwalt am Strafgerichtshof, Karim Khan, hatte vor einem Jahr Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Er wurde dabei von Deutschland und 13 weiteren EU-Ländern unterstützt. Für seine Ermittlungen war Khan dreimal in dem Land, unter anderem in der Region Kiew, wo es in Butscha ein Massaker gegeben hatte.

Zeitung: Zweites Verfahren eröffnet

Zu Wochenbeginn hatte die "New York Times" berichtet, dass der Internationale Strafgerichtshof zwei Verfahren gegen Vertreter Russlands wegen mutmaßlicher Verbrechen in der Ukraine eröffne. So soll es im ersten Fall um den Vorwurf der Entführung ukrainischer Kinder gehen, im zweiten um gezielte Angriffe auf Einrichtungen der zivilen Infrastruktur wie Kraftwerke und Wasserwerke durch das russische Militär.

Allerdings zeigen früheren Verfahren, dass es schwierig ist, hochrangige Vertreter zur Rechenschaft zu ziehen. In mehr als 20 Jahren gab es lediglich fünf Verurteilungen wegen sogenannter Kernverbrechen. Bei keinem der Verurteilten handelte es sich um oberste Vertreter eines Machtapparats. Zudem erkennt Russland die Zuständigkeit des Strafgerichtshofs nicht an. Das Gericht darf außerdem keine Prozesse in Abwesenheit der Angeklagten führen.

Obgleich die Ukraine das Römische Statut des Internationalen Gerichtshofs nicht ratifiziert hat, erkennt Kiew die Befugnis der Richter für seit 2014 auf ukrainischem Staatsgebiet verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen die Ukraine an. 2015 übergab der damalige ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin in Den Haag eine entsprechende Erklärung.

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Am Vortag hatten UN-Ermittler die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland oder in von Russland kontrollierte Gebiete der Ukraine als Kriegsverbrechen eingestuft. Die Deportation "verstößt gegen internationales humanitäres Recht und kommt einem Kriegsverbrechen gleich", erklärte ein hochrangiges Ermittlerteam der Vereinten Nationen.

Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar mehr als 16.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt. Das vom UN-Menschenrechtsrat zusammengestellte Ermittlerteam gab an, die Zahlen nicht verifizieren zu können. Es verwies aber auf Hinweise, wonach russische Behörden ukrainische Kinder in Kinderheimen oder Pflegefamilien unterbringen und ihnen die russische Staatsbürgerschaft verleihen. Unter anderem habe Putin einen Erlass unterzeichnet, wonach Kinder unter bestimmten Bedingen in vereinfachtem Verfahren russische Staatsbürger werden können.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/AFP/dpa

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