Die Kriegsnacht im Überblick Selenskyj nennt Russland "Terrorstaat" - EU-Sanktionen entfalten Wirkung
15.07.2022, 07:14 Uhr
Der ukrainische Präsident Selenskyj spricht nach dem Angriff auf das Zentrum von Winnyzja mit vielen toten Zivilisten von Terrorismus und zieht einen Vergleich zu deutschen und amerikanischen Großstädten. Die EU wertet die gegen Russland verhängten Sanktionen aus. Außenministerin Baerbock will sich derweil nicht "doppelt erpressbar" machen. Die Kriegsnacht im Überblick.
Separatisten verkünden Eroberung - Kiew dementiert
Im Osten der Ukraine sind die von der russischen Armee unterstützten Separatisten nach eigenen Angaben weiter auf die Kleinstadt Soledar vorgerückt. Die Dörfer Strjapiwka und Nowa Kamjanka am östlichen Stadtrand von Soledar seien eingenommen worden, teilten die Separatisten in Luhansk mit. In Kiew wurde den Angaben widersprochen. "Allgemein haben wir in der vergangenen Woche die Angriffe des Feindes abgewehrt, und kein einziger Meter ukrainischen Bodens ging verloren", sagte der Vizechef der Hauptverwaltung des Generalstabs der ukrainischen Armee, Olexij Hromow, bei einer Pressekonferenz in Kiew. Im Abendbericht des Generalstabs war von Beschuss von Soledar und dem nordöstlichen Vorort Jakowliwka die Rede.
Selenskyj fordert Einstufung Russlands als "Terrorstaat"
Nach dem Raketenangriff auf das Zentrum der Großstadt Winnyzja im Westen der Ukraine mit vielen getöteten Zivilisten hat Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland als "Terrorstaat" bezeichnet. "Kein anderer Staat in der Welt stellt eine solche terroristische Gefahr dar wie Russland", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. Kein anderes Land auf der Welt nehme sich heraus, jeden Tag mit seinen Raketen und seiner Artillerie "friedliche Städte und alltägliches menschliches Leben" zu vernichten, sagte Selenskyj.
Der Angriff habe noch einmal gezeigt, dass Russland offiziell als "Terrorstaat" eingestuft werden sollte und die Verantwortlichen vor ein Kriegsverbrechertribunal gehörten, sagte Selenskyj. Auch ein medizinisches Zentrum sei getroffen worden. "Und wenn jemand einen Angriff auf ein medizinisches Zentrum in Dallas oder Dresden ausführen würde - (...) Ist das etwa kein Terrorismus?"
EU: Sanktionen gegen Russland wirken
Die gegen Russland verhängten EU-Sanktionen entfalten nach bislang unter Verschluss gehaltenen Daten ihre Wirkung. Wie Experten der EU-Kommission bestätigten, betreffen zielgerichtete Handelsbeschränkungen mittlerweile russische Exportgeschäfte, die vor dem Krieg ein Volumen von mehr als 73 Milliarden Euro im Jahr hatten. Prozentual gesehen geht es um 48 Prozent der bisherigen Ausfuhren Russlands in die EU. Hinzu kommt unter anderem, dass innerhalb von rund vier Monaten russische Vermögenswerte von rund 13,8 Milliarden Euro eingefroren wurden - zum Beispiel von Oligarchen und anderen Unterstützern von Kremlchef Wladimir Putin. Milliardenschwere Reserven der russischen Zentralbank können ebenfalls nicht mehr abgerufen werden.
Baerbock gegen Aufweichen der Sanktionen
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat eine Lockerung der gegen Russland verhängten Sanktionen ausgeschlossen. Auch ein solcher Schritt würde die Gas-Versorgung aus Russland nicht sicherstellen, "sondern wir wären doppelt erpressbar", sagte die Grünen-Politikerin in einer Diskussion mit Bürgern in Bremen. Würde man akzeptieren, dass jemand "auf brutalste Art und Weise" internationales Recht breche, dann wäre das "eine Einladung an all diejenigen, die Menschenrechte, Freiheit und Demokratie mit Füßen treten". Daher werde Deutschland die Ukraine unterstützen, "so lange sie uns braucht", betonte Baerbock. "Und daher werden wir auch diese Sanktionen aufrechterhalten und zugleich sicherstellen, dass bei uns die Gesellschaft nicht gespalten wird."
Schulze hofft auf Getreideexport
Nach der Annäherung im Streit über Getreideexporte aus der Ukraine hat Entwicklungsministerin Svenja Schulze vor zu großem Optimismus gewarnt. "Eine Einigung auf sichere Transportmöglichkeiten von Getreide aus der Ukraine über den Seeweg wäre eine Erleichterung für die hungernden Menschen weltweit", sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Jede Tonne Getreide, die zusätzlich rauskomme und auf dem Weltmarkt zur Verfügung stehe, helfe. "Aber die Erfahrung mit Putin zeigt, dass man sich darauf nicht verlassen sollte."
Das wird am Freitag wichtig:
- Außenministerin Baerbock nimmt in Rumänien an einer Geberkonferenz für die Republik Moldau teil, die unter den Auswirkungen des Kriegs im Nachbarland Ukraine leidet. Moldau ist seit Juni ebenso wie die Ukraine offiziell Kandidat für eine Aufnahme in die Europäische Union. Das Land mit 2,6 Millionen Einwohnern versorgt seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine Ende Februar Hunderttausende Flüchtlinge.
- Auf der indonesischen Insel Bali treffen sich die Finanzminister und Zentralbankchefs der G20-Staaten. Dabei geht es vor allem um die globalen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Der ukrainische Finanzminister Sergii Marchenko nimmt an der Eröffnungssitzung teil.
Alle weiteren Entwicklungen können Sie in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg nachlesen.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa