Politik

Karlsruhe urteilt über Athen-Hilfe Showdown für den Euro

Gehen die Retter selbst unter oder belässt es Karlsruhe bei einem ernsten Wörtchen?

Gehen die Retter selbst unter oder belässt es Karlsruhe bei einem ernsten Wörtchen?

(Foto: picture alliance / dpa)

Wenn das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung über das Hilfspaket für Griechenland und den Euro-Rettungsschirm verkündet, hält Europa den Atem an. Die möglichen Folgen des Urteils sind gravierend. An den Märkten drohen neue Turbulenzen. Was liegt in Karlsruhe auf dem Tisch?

Im Mai 2010 musste es schnell gehen: Griechenland drohte der Finanzkollaps, das Land musste mit Milliardengarantien der Euro-Partner vor der Pleite bewahrt werden. Zumindest war das die Argumentation von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hat den Rettungsschirm für Griechenland stets als "alternativlos" bezeichnet. Viele bezweifeln das. Zudem sehen Kritiker das Parlament durch diese Rhetorik unter Druck gesetzt. Binnen weniger Tage mussten die Abgeordneten über das Finanzpaket abstimmen.

Wer klagt?

Gegen die Griechenlandhilfen sind rund 50 Klagen von Professoren, Unternehmern, Abgeordneten und einfachen Bürgern eingegangen. Exemplarisch verhandelt Karlsruhe über drei davon.

Dauergast in Karlsruhe: Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler lässt gerne die Justiz nochmal überprüfen, ob politische Entscheidungen rechtens sind.

Dauergast in Karlsruhe: Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler lässt gerne die Justiz nochmal überprüfen, ob politische Entscheidungen rechtens sind.

(Foto: picture alliance / dpa)

Unter den zugelassenen Beschwerdeführern ist zum einen eine fünfköpfige Wissenschaftlergruppe um den Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider und den Ökonom Joachim Starbatty. Sie wollte bereits 1998 die Einführung des Euro vom Bundesverfassungsgericht stoppen. Weiterer prominenter Kläger ist der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler. Er gilt als notorischer Gast in Karlsruhe, klagte zuvor unter anderem gegen den Vertrag von Lissabon und die Entsendung von Tornado-Flugzeugen nach Afghanistan.

Welche Argumente haben die Kläger?

Die Kläger sehen durch den Euro-Rettungsschirm mehrere Grundrechte verletzt, darunter das Grundrecht auf Eigentum, eine Beeinträchtigung des Wahlrechts, eine Verletzung des Demokratieprinzips und vor allem eine Beeinträchtigung des Budgetrechts des Bundestags.

Die Euro-Rebellen: Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty.

Die Euro-Rebellen: Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty.

(Foto: REUTERS)

Konkret beziehen sie sich auf die Nichtbeistandsklausel, die in der Europäischen Union gilt. Sie besagt, dass die Mitgliedsstaaten untereinander nicht für ihre Schulden aufkommen müssen. Zudem sehen sie durch den Zeitdruck, unter dem im Mai 2010 die Hilfen beschlossen worden sind, die Rechte des Bundestags ausgehebelt. Das Parlament habe so nicht sorgsam über den Vorschlag befinden können.

Worum geht es den Klägern?

Die prominenten Kläger sind als entschiedene Euro-Gegner bekannt. Im Vorfeld des Urteils haben sie mit markigen Worten nicht gespart. "Das Euro-Abenteuer geht zu Ende", hoffen sie – und offenbaren damit das Programm, das hinter der Klage steht.

So ist die Sorge um Grundrechte nur vordergründig. Die Frage ist keine juristische, sondern eine politische: Das Ziel ist nichts weniger als die Abschaffung des Euro. Oder zumindest ein Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone.

Werden die Richter dem Euro den Todesstoß versetzen?

Nein. Dass die  Karlsruher Richter die Beteiligung Deutschlands am Rettungsschirm für nichtig erklären, gilt als unwahrscheinlich. Die Suche nach einem wirksamen Mechanismus, um die gemeinsame Währung zu schützen, müsste dann von neuem beginnen. Die Folgen für die Eurozone und die Finanzmärkte wären kaum auszumalen. Genau deswegen wird das Gericht davon die Finger lassen. Urteile des Bundesverfassungsgerichts folgen nicht nur juristischen Spielregeln, sondern sind zumeist auch politisch geprägt. Und die Verantwortung für eine neue Eskalation der Krise wollen die Richter wohl nicht auf sich nehmen.

Wie wird Karlsruhe wahrscheinlich urteilen?

Wahrscheinlicher ist, dass es das Bundesverfassungsgericht bei einer Ermahnung belässt. Es wird fordern, dass die Regierung dem Parlament beim nächsten Mal mehr Mitsprache einräumt. Schon in der mündlichen Verhandlung am 5. Juli hatten die Richter das Budgetrecht des Bundestags als "Kronjuwel des Parlaments" bezeichnet. Das würde sich dann auch auf die laufende Debatte um die Beteiligungsrechte des Bundestags bei Entscheidungen zum permanenten Rettungsschirm auswirken, der am 29. September zur Abstimmung steht. Die Folgen eines solchen Urteils könnten ebenfalls Kursschwankungen an den Finanzmärkten sein – zumal in der momentanen nervösen Phase.

Was bedeutet das Urteil für die Regierung?

Egal welches Urteil das Gericht fällt: Kanzlerin Angela Merkel wird nach den missglückten Probeabstimmungen über den Euroschirm einen weiteren Dämpfer bekommen. So oder so werden Richter und Öffentlichkeit mit Kritik nicht hinterm Berg halten. Ist dieser Sturm jedoch überstanden, hat die Kanzlerin in dieser politisch und juristisch heiklen Frage Rechtssicherheit. Und das würde nicht nur Merkel, sondern auch dem Euro gut tun.

Wann geht es los?

Der Bundestag hat wegen des für Mittwoch erwarteten Karlsruher Urteils zum Euro-Rettungsschirm und den Griechenland-Hilfen seine Tagesordnung geändert. Der eigentlich für 9.00 Uhr geplante Beginn der Generaldebatte über den Etat der Kanzlerin und des Bundeskanzleramtes wurde auf 10.30 Uhr verschoben.

Das Bundesverfassungsgericht will das Urteil zu den Klagen gegen den 2010 beschlossenen bisherigen Euro-Rettungsschirm und die Griechenland-Hilfen eigenen Angaben zufolge um 10.00 Uhr verkünden.

Abweichend von der üblichen Reihenfolge wird deshalb zum Auftakt der Haushaltsdebatte im Bundestag zunächst über den Etat des Auswärtigen Amts diskutiert. Mit der Terminverschiebung soll es ermöglicht werden, dass sich Kanzlerin Angela Merkel in der Generaldebatte aktuell zum Karlsruher Urteil äußern kann. Lammert selbst will gegen Mittag zu den Konsequenzen aus dem Urteil Stellung beziehen.

Quelle: ntv.de

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