
Zwei junge syrische Flüchtlinge in einer Notunterkunft in Stuttgart.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wer in Deutschland Schutz suche, bekomme mehr Geld als Hartz-IV-Empfänger, so dass er sich Markenklamotten und teure Smartphones leisten kann. Diese Meinung ist zumindest im Netz weit verbreitet. Doch was ist da dran?
"Für einen Hartz-IV-Empfänger, der jahrelang in Deutschland Steuern gezahlt hat, sollen rund 4,70 Euro für drei Mahlzeiten am Tag reichen und ein Flüchtling bekommt sein Essen in einer Flüchtlingsunterkunft umsonst. Wie kann das bitte sein?" Kommentare wie diese sind massenhaft bei Facebook zu lesen. Dazu empören sich etliche über die offenbar gut ausgestatteten Hilfesuchenden. Im Fernsehen sind meist junge Männer zu sehen, die nicht arbeiten, stattdessen an ihren teuren Smartphones herumspielen und mitunter Markenklamotten tragen. Bilder, die Vorurteile schüren.
Doch über welche Mittel verfügt ein Flüchtling wirklich? Im Asylbewerberleistungsgesetz ist genau geregelt, was ihm zusteht: Derzeit bekommen Asylbewerber in den ersten 15 Monaten vor allem Sachleistungen und ein Taschengeld. Ist ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm bei Bedürftigkeit Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. Die finanziellen Leistungen sind gestaffelt und hängen unter anderem vom Alter und vom Familienstand ab. Außerdem spielt es eine Rolle, ob jemand in einer eigenen Wohnung lebt oder in einer Sammelunterkunft.
In der Erstaufnahmeeinrichtung erhält ein erwachsener alleinstehender Flüchtling 135 Euro, das sogenannte Taschengeld. Zusammenlebende Partner erhalten je 122 Euro. Für ein Kind von bis zu sechs Jahren gibt es im Monat 79 Euro. Im Alter von 6 bis 13 Jahren sind es 83 Euro. Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren bekommen 76 Euro. Viele Flüchtlinge investieren ihr Taschengeld in Handykarten, um Kontakt zu ihren Verwandten in der Heimat zu halten. Die Verpflegung ist in den Sammelunterkünften umsonst. Einkleiden können sich Flüchtlinge mithilfe von Kleiderspenden – darunter kann auch gut erhaltene Markenkleidung sein.
Asylbewerber bekommen weniger als Hartz IV
Asylbewerber, die in einer eigenen Wohnung wohnen, müssen Dinge wie Kleidung und Essen selbst abdecken. Deswegen sind die Sätze dann inklusive Taschengeld höher und an Hartz IV angelehnt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Sätze genauso hoch sind wie das Arbeitslosengeld II. De facto lauten die Zahlen seit der letzten Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetz im März 2016 so: Alleinstehende Flüchtlinge bekommen insgesamt 354 Euro. Ein alleinstehender Hartz-IV-Empfänger bekommt 404 Euro. Leben zwei Menschen zusammen, bekommt jeder Partner 318 Euro. Bei Hartz-IV-Empfängern sind es 364 Euro für jeden. Für ein Kind bis zu sechs Jahren gibt es 214 Euro (Hartz IV: 237 Euro). Für Kinder zwischen sechs und 13 Jahren gibt es insgesamt 242 Euro (Hartz IV: 270 Euro). Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren bekommen 276 Euro (Hartz IV: 306).
Ist ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm bei Bedürftigkeit Leistungen auf Sozialhilfe-Niveau zu. Dann erhält ein alleinstehender Asylbewerber 392 Euro. Wie bei Hartz-IV-Empfängern werden die Wohnkosten erstattet, allerdings laut Gesetz in "angemessenem" Umfang. Für die Kosten der Unterkunft und Heizung können die Länder Pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen. Zudem gibt es – ebenso wie bei deutschen Hartz-IV-Empfängern auch – Geld für eine Erstausstattung einer Wohnung. Das heißt: Es gibt eine Unterstützung, damit sich Flüchtlinge Utensilien wie Herd, Waschmaschine, Betten, Stühle, Besteck und Handtücher anschaffen können.
Im vergangenen Jahr schlug Bundesfinanzminister Schäuble vor, den Hartz-IV-Satz für Flüchtlinge zu senken. "Könnten wir nicht wenigsten die Kosten für die Eingliederungsleistungen abziehen?", fragte er laut. Schwierig, denn laut Bundesverfassungsgericht besteht für jeden in Deutschland lebenden Menschen, ob Deutscher oder nicht, "ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum". Das Sozialministerium rechnet für 2016 mit 240.000 bis 460.000 neuen Leistungsempfängern. Immerhin konnte Schäuble seinen Vorschlag im Asylpaket II einbringen. Die Leistungen für Asylbewerber wurden um zehn Euro gesenkt. Denn Flüchtlinge sollen fortan an den Kosten für Integrationskurse beteiligt werden.
Flüchtlinge müssen Vermögen einbringen
Fakt ist auch, dass Flüchtlinge ihr Vermögen einbringen müssen: Im Asylbewerberleistungsgesetz steht: "Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, sind von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen." Nur wer also bedürftig ist, bekommt Hilfe. Wer selber Geld hat, muss erst einmal davon leben. Wer als Deutscher ein gut gefülltes Bankkonto hat, bekommt schließlich auch erst einmal kein Hartz IV.
Tatsächlich nehmen fast alle Bundesländer in Deutschland Asylbewerbern einen Teil ihres Vermögens ab, wenn sie in Deutschland ankommen. Eine Umfrage der "Zeit" ergab, dass jedes Bundesland die Paragrafen 7 und 7a des Asylbewerberleistungsgesetzes anwendet - allerdings unterschiedlich streng. In Brandenburg etwa müssen Flüchtlinge bei der Registrierung einen Fragebogen ausfüllen, der auf Seite fünf abfragt: "Besitzen Sie Vermögen in ihrer Heimat, in Deutschland oder in einem anderen Land?"
Auch in Hamburg müssen Flüchtlinge eine Erklärung unterschreiben, genauso in Bremen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen und Hessen. Überall gilt der Freibetrag von 200 Euro. Bayern ist das einzige Bundesland, in dem Flüchtlinge bei ihrer Ankunft durchsucht werden. Auch dort gilt ein Freibetrag von 200 Euro. Aber konfisziert wird nur, was über 750 Euro hinausgeht. Das kommt allerdings sehr selten vor. Um eine Zahl zu nennen: In Thüringen kamen im Jahr 2015 bis Ende November 18.000 Euro zusammen. Hier wurde das Bargeld von 35 Personen einbehalten.
Aber warum sind Flüchtlinge überhaupt auf Unterstützung angewiesen? Kommen sie ohne Vermögen, sind sie völlig mittellos. Und in den ersten drei Monaten verwehrt ihnen der deutsche Gesetzgeber das Arbeiten komplett. Nach Ablauf dieser drei Monate können sie sich eine Arbeit suchen. Doch dazu benötigen sie eine Arbeitserlaubnis. Die gibt es allerdings nur, wenn es für den Job keinen mindestens gleich qualifizierten Bewerber aus der EU gibt. Das kommt in strukturschwachen Regionen einem Arbeitsverbot gleich, da die Jobcenter fast immer Arbeitssuchende aus der EU in ihrer Datenbank finden. Erst 15 Monate nach dem Antrag fällt diese sogenannte "Vorrangprüfung" für Asylbewerber weg.
Quelle: ntv.de