Freie Wähler und AfD profitieren Söder droht schlechtestes Ergebnis aller Zeiten
27.09.2023, 08:09 Uhr Artikel anhören
Angeschlagener Ministerpräsident und selbstbewusster Koalitionspartner: Söder (r.) und Aiwanger.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Aktuellen Umfragen zufolge gibt es bei den Landtagswahlen in Bayern keine größere Verschiebung im Machtgefüge. Alles deutet auf die Fortsetzung der Koalition aus CSU und erstarkten Freien Wählern hin. Die Ampelparteien werden wohl abgewatscht, die AfD darf auf ein Rekordergebnis hoffen.
Bayern steht vor einer "Weiter so"-Wahl: Allen Umfragen zufolge kann Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nach der Landtagswahl am Sonntag kommender Woche mit den Freien Wählern von Hubert Aiwanger für weitere fünf Jahre den Freistaat regieren. Doch dass Aiwanger womöglich ausgerechnet Profit aus seiner Verschwörungsideologie über ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Jugendzeit schlagen kann, wirkt wie die bizarre Pointe eines weitgehend inhaltsleeren Wahlkampfs.
Der Opposition im bayerischen Landtag gelang es in den vergangenen Wochen nicht, in irgendeiner Form eine Wechselstimmung im seit 1957 ununterbrochen von CSU-Ministerpräsidenten regierten Bayern zu erzeugen. Im Gegenteil verloren die Berliner Ampelparteien SPD, Grüne und FDP seit Jahresbeginn an Zustimmung. Allen drei Parteien droht ein schlechteres Wahlergebnis als bei der Landtagswahl 2018, die FDP könnte sogar wieder aus dem Landtag fliegen.
Von den derzeit vier bayerischen Oppositionsparteien kann sich voraussichtlich allein die AfD gegenüber 2018 verbessern. Zwischen 12 und 14 Prozent sehen die Umfragen die AfD im Moment, ein Wahlergebnis in diesem Bereich wäre nach den 10,2 Prozent 2018 ein Rekordergebnis bei den neuneinhalb Millionen Wahlberechtigten in Bayern. Dass sich die AfD-Landtagsfraktion seither immer wieder im Streit zerlegte und Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner eine Vertraute des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke ist, scheint die Wähler nicht zu stören.
Söder attackiert Ampelkoalition
CSU-Chef Söder attackierte in seinem Wahlkampf vor allem die Ampelkoalition in Berlin und die AfD. Doch obwohl fast 80 Prozent der Bayern nach einer repräsentativen Sat.1-Umfrage mit der Bundesregierung unzufrieden sind, und obwohl Söder im Wahlkampfendspurt das AfD-Thema Flüchtlingspolitik zu seinem Hauptthema machte, droht ihm erneut ein historisch schlechtes Wahlergebnis. Er verweist selbst darauf, dass es zu früheren Zeiten noch keine AfD oder Freien Wähler gab, sodass die Ergebnisse kaum vergleichbar seien. Sein Wahlsieg steht außer Frage, zumal keine andere Partei überhaupt nur einen Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt aufgestellt hat.
Bei gerade einmal 36 Prozent sahen die Meinungsumfragen die CSU zuletzt. Das wäre weniger als 2018, als Söder als Nachfolger von Horst Seehofer in seinem ersten Wahlkampf der CSU mit 37,2 Prozent ihr schlechtestes Wahlergebnis seit fast 70 Jahren bescherte.
Regionale Themen kaum präsent
So wie vor fünf Jahren ist für die Bayern auch vor dieser Wahl die Flüchtlingspolitik das wichtigste Thema - allerdings machen sich deutlich weniger Menschen deshalb Sorgen. Mit der Energiepolitik sowie dem Klima- und Umweltschutz folgen laut Umfrage des Bayerischen Rundfunks zwei weitere Themen, für die eher in Brüssel und Berlin die Weichen gestellt werden als in München. Eigene bayerische Themen kristallisierten sich im Wahlkampf nicht heraus.
Trotz seiner Dauerpräsenz auf Wahlkampfveranstaltungen und durch Interviews konnte Söder bis kurz vor der Wahl keine CSU-Euphorie erzeugen. Die Debatte um das antisemitische Flugblatt aus Aiwangers Schulranzen - angeblich vom Bruder des Freie-Wähler-Chefs verfasst - schwächte die CSU weiter. Denn Aiwanger stellte sich erfolgreich als Opfer einer Schmutzkampagne dar, die er wahlweise bei den Medien, den Grünen und der SPD verortete.
Selbstbewusster Aiwanger fordert mehr Macht
Sollte die Landtagswahl die Meinungsumfragen bestätigen, könnten Aiwanger und seine Freien Wähler die großen Gewinner werden. Aiwanger forderte schon forsch ein viertes Ministerium, bevorzugt das Landwirtschaftsministerium. Reue über das Flugblatt ließ er nicht erkennen. Wenn Aiwanger damit bei den Wählern durchkommt, kann Söder sich für die nächste Legislaturperiode auf weitere Querschüsse seines am rechten Rand fischenden Koalitionspartners einstellen.
Und der Ministerpräsident selbst? Ursprünglich sagte Söder einmal, dass er nur für zwei Legislaturperioden antrete - dann wäre 2028 in Bayern Schluss für ihn gewesen. Doch diese Ankündigung kassierte er inzwischen wieder ein.
In der CSU wiederum hoffen manche darauf, dass Söder mit einem starken Wahlergebnis Rückenwind für eine Kanzlerkandidatur 2025 bekommt. Söder selbst erhob vor der Landtagswahl eher vorsichtig das "Weiter so" zum Prinzip - so wird es voraussichtlich auch kommen, aber innerhalb seiner Bayern-Koalition womöglich mit einer Kräfteverschiebung zugunsten der Freien Wähler.
Quelle: ntv.de, Ralf Isermann, AFP