Kurzfristige Pressekonferenz Söder gibt Entscheidung zu Aiwanger bekannt
03.09.2023, 08:20 Uhr Artikel anhören
Aiwanger und Söder, vor der Flugblatt-Affäre war das auch die gewünschte Nachwahl-Konstellation.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Kann Bayerns Ministerpräsident Söder nach der Flugblatt-Affäre weiter mit Hubert Aiwanger zusammenarbeiten? Söder hatte das von Aiwangers Antworten auf 25 Fragen abhängig gemacht. Die Antworten liegen nun vor. Kurz vor einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz soll Söders Entscheidung bereits gefallen sein.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will am Vormittag kurzfristig eine Pressekonferenz geben. Die Staatskanzlei lud für 11.00 Uhr dazu ein, "aus aktuellem Anlass", wie es in der Einladung hieß. Mit Spannung wird Söders Entscheidung erwartet, ob er seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger wegen der Affäre rund um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten entlässt oder nicht. Einem Medienbericht zufolge will Söder an Aiwanger festhalten. Das schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf "informierte Kreise". ntv überträgt die PK live.
Der Freie-Wähler-Vorsitzende hat Söders Fragenkatalog dazu schriftlich beantwortet - nach Angaben aus CSU-Kreisen vom Samstag wurden die Antworten "in Ruhe" ausgewertet. Weder der Inhalt der Fragen noch die Antworten sind bekannt. Laut der Bayerischen Landesverfassung kann der Ministerpräsident seine Ministerinnen und Minister mit Zustimmung des Landtages entlassen.
Aiwanger selbst sieht "überhaupt keinen Grund für einen Rücktritt oder eine Entlassung", wie er der "Bild am Sonntag" sagte. Der 52-Jährige forderte ein Ende der "Hexenjagd". Er wird am Sonntag zu Terminen in Bayern erwartet, Söder gibt dem ZDF ein Sommerinterview.
Glaubhafte Einsicht?
Bei einem Auftritt am Samstag im hessischen Landtagswahlkampf beantwortete Aiwanger keine Fragen zur Flugblatt-Affäre. "Da wird nur wieder was draus gedreht", sagte er nach seinem Auftritt. In Hessen wird ebenso wie in Bayern am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Der "Bild am Sonntag" sagte Aiwanger, dass er die Koalition mit der CSU weiterführen möchte: "Ich wünsche mir, dass es nach den Wahlen eine Fortsetzung der Koalition von uns mit der CSU geben kann, natürlich hängt das aber vom Wahlergebnis ab." Seine Wähler seien empört über die "Kampagne".
Aiwanger hatte bereits vergangenen Samstag zurückgewiesen, das antisemitische Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf sagte sein älterer Bruder, der Verfasser zu sein. Gegen Aiwanger selbst wurden im Laufe der Woche weitere Vorwürfe laut. Am Donnerstagnachmittag entschuldigte er sich.
Der Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, kritisierte Aiwangers Umgang mit den Vorwürfen scharf. Aiwanger hätte sich entschuldigen und glaubhaft Einsicht zeigen sollen, sagte er der ARD. "Lägen die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Bayern, ich würde Aiwanger nicht erlauben, bei uns Gedenkreden zu halten." Dank Aiwangers zahlreichen Verteidigern werde statt über das Pamphlet, das den Holocaust verherrliche, nur noch über eine angebliche Schmutzkampagne gesprochen. "Den erinnerungspolitischen Klimawandel kennzeichnet ein Nachlassen von Geschichtsbewusstsein und historischer Sensibilität gegenüber den NS-Verbrechen", warnte Wagner.
Jugendsünde oder politische Haltung?
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte, Aiwanger versuche, aus eigenen Verfehlungen politisches Kapital zu schlagen. "Das ist zutiefst unanständig. Wenn Söder das durchgehen lässt und auf Zeit spielt, wird er seiner Verantwortung als Ministerpräsident nicht gerecht", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Ähnlich äußerte sich der SPD-Politiker Ralf Stegner. Es spiele keine Rolle mehr, ob Aiwanger das "ekelhafte antisemitische" Flugblatt selbst verfasst oder nur verbreitet habe. "Seine "Entschuldigung" - die keine war - und seine Opferpose sind unerträglich", schrieb er am Samstag auf der Plattform X, bislang bekannt als Twitter. "Es geht nicht um "Jugendsünden", die Vergleiche mit jugendlichen Aussteigern rechtfertigten, hier zeige sich eine charakterliche und politische Haltung, die mit einem Staatsamt nicht vereinbar sei - "was gerade in Zeiten der Bedrohung unserer Demokratie keine Petitesse ist", schrieb Stegner.
Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte sich zuvor hinter Aiwanger gestellt. "Warum sollen junge Neonazis aus der rechtsextremistischen Szene aussteigen, wenn sie am Beispiel Hubert Aiwanger erleben, dass man auch 35 Jahre später noch für den Wahnsinn der eigenen Jugend öffentlich gebrandmarkt wird?", schrieb Gabriel am Freitag auf X.
Quelle: ntv.de, sba/dpa