GdP-Experte im Interview "Stationäre Grenzkontrollen ändern nichts an der Situation"
31.08.2023, 16:03 Uhr Artikel anhören
Deutschland lässt seit 2015 an der Grenze zwischen Bayern und Österreich wieder kontrollieren - für die GdP ist das aber kein nachahmenswertes Beispiel.
(Foto: Sven Hoppe/dpa)
Seit Monaten fordern CDU-Politiker stationäre Kontrollen an deutschen Außengrenzen - zuletzt auch Parteichef Friedrich Merz. In Bayern gibt es sie bereits seit Herbst 2015. Für die Gewerkschaft der Polizei sind solche Kontrollen aber unsinnig. Warum Bayern trotzdem ein Vorbild ist, erklärt Andreas Roßkopf vom GdP-Bezirk Bundespolizei/Zoll im Interview mit ntv.de.
ntv.de: Herr Roßkopf, was halten Sie von der Forderung, stationäre Grenzkontrollen wieder einzuführen?
Andreas Roßkopf: Wir als GdP-Bezirk Bundespolizei/Zoll halten von der Einführung stationärer Grenzkontrollen gar nichts. Erstens erfordern diese sehr viel Personal, das wir gar nicht haben. Zweitens verlangen diese Kontrollen eine gewisse Infrastruktur, die es aber gar nicht mehr gibt. Die Bundespolizei ist dafür nicht ausgerüstet.
Gut, Schlagbäume gibt es nicht mehr. Aber was für Ausrüstung brauchen Sie ansonsten?
Wir sprechen bei den Grenzen zur Schweiz, zu Österreich, Tschechien und Polen von mehr als 2400 Kilometern. Dort gibt es unzählige Wege, mittelgroße Straßen, Bundesstraßen und Autobahnen. Das alles müsste man kontrollieren. Man bräuchte Ausfahrtbuchten, Verkehrstrichter, um den Verkehr zu verlangsamen, Geschwindigkeitsregelanlagen, wettergeschützte Kontrollstellen, Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten, Büro- und Gewahrsamsräume. All das ist nicht in ausreichendem Maße vorhanden.
Aber da sagt die CDU: An der Grenze zwischen Bayern und Österreich geht es doch auch.
Nein, eben nicht. Was geht denn da? Seit 2015 kontrollieren wir in Bayern an vier oder fünf Übergängen stationär. Mittlerweile weiß jeder, dass dort kontrolliert wird. Diese Kontrollen in Bayern sind unsinnig. Man muss dazu wissen, dass drei Viertel der Migranten geschleust werden. Die Schleuserbanden aber agieren hochprofessionell. Sie stellen sich stundenweise auf Veränderungen bei den Kontrollen ein. Der Aufgriff, den wir da haben, ist im Verhältnis zur Zahl der Menschen, die zu uns kommen, sehr gering. Insgesamt sind die Aufgriffszahlen an der Südgrenze natürlich hoch. Zieht man aber die Zahl der unerlaubten Migration wieder ab, dann relativiert sich die Zahl.
Die bayerische Grenzpolizei hat für 2022 Bilanz gezogen. Damals wurden 3068 Fälle der unerlaubten Einreise festgestellt, 58 Prozent mehr als 2021. Das gilt aber inklusive der Schleierfahndung.
Die bayerische Polizei macht es genau richtig, aber nicht wegen der stationären Grenzkontrollen, sondern wegen der Schleierfahndung hinter der Grenze. Sie arbeitet hochprofessionell und sehr flexibel mit bestens ausgestatteten Beamten. Sie sind unvorhersehbar im Schleierraum hinter der Grenze unterwegs. Dazu gehören Drohnenüberwachung, mobile Büros, Containerunterkünfte auf Rädern. All das haben wir aber bundesweit nicht, um 2400 Kilometer Grenze zu schützen.
Das könnte man ja anschaffen, wenn es politisch gewollt wäre.
Das ist tatsächlich der Knackpunkt. Wir haben das auch 2016 schon gefordert, aber die Bundespolizei wollte das nicht umsetzen.
Das heißt, die Grenzkontrollen in Bayern sind eigentlich nur Show?
Das kann man so sagen. Das ist eine schöne Bühnenveranstaltung, die dem Bürger Sicherheit suggerieren soll. Aber wir stellen den Nutzen infrage. Wir glauben, dass es mit modernen, flexiblen Kontrollen besser funktioniert.
Ziel von Grenzkontrollen ist es, die Zuwanderung von Flüchtlingen zu verringern. Kann das gelingen?
Eine Einführung weiterer stationärer Grenzkontrollen analog zur österreichischen Grenze ändert nichts an der Situation. Wenn ein Mensch an der Grenze ein Asylbegehren äußert, müssen wir dem nachgehen. Zurückweisen können wir nur in wenigen Ausnahmefällen, wie zum Beispiel, wenn eine Person eine Einreisesperre hat. Ansonsten müssen wir sie zur nächsten Ausländerbehörde im Inland weiterleiten. Nur die darf feststellen, ob das Asylbegehren berechtigt ist. Wir würden also das grundsätzliche Problem nicht lösen, weil die meisten Menschen, die zu uns kommen, Asyl beantragen.
Wie kann man die Schleuserbanden besser bekämpfen?
Wir fordern einen Zusammenschluss von Landespolizeien, Landeskriminalämtern, Bundespolizei, Zoll und BKA. Sie sollten gemeinsam gegen die Schleuser-Organisationen ermitteln und die Banden dann zerschlagen. Mehr als drei Viertel der Menschen, die zu uns kommen, werden geschleust. Da müssen wir ran. Alles andere ist ein europäisches Problem. Sei es, die Außengrenzen besser zu schützen oder die Möglichkeit zu schaffen, schon im Herkunftsland einen Asylantrag zu stellen. Das fordern wir als Gewerkschaft.
Wären grenzübergreifende Kontrollen, beispielsweise deutsch-polnische Streifen, sinnvoller?
Auf jeden Fall. Es gibt auch schon einige gemeinsame Streifen. Wenn Menschen auf polnischem Boden angetroffen werden, müssen sie nicht an deutsche Ausländerbehörden übergeben werden, sondern werden in Polen erfasst. Wir werden das Problem so aber auch nicht lösen. Wir brauchen eine einheitliche Verfahrensweise in Europa mit gleichen sozialen Standards in allen Ländern und einer einheitlichen Verteilung. Die Bundespolizei wird das Migrationsproblem auf keinen Fall alleine lösen können.
Mit Andreas Roßkopf sprach Volker Petersen
Quelle: ntv.de