Politik

Konfliktfeld Raketenabwehr Streit über US-Pläne

Die Kontroverse über die von den USA geplante Raketenabwehr in Osteuropa weitet sich zu einem neuen Konfliktfeld in der großen Koalition aus. Während sich die SPD mit Parteichef Kurt Beck an der Spitze am Montag erneut vehement gegen die US-Rüstungspläne für Polen und Tschechien stemmte, mahnten Unions-Politiker Zurückhaltung und "verbale Abrüstung" an. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die die NATO als Beratungsgremium zur Raketenabwehr sieht, warnte vor Alleingängen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die Haltung der Kanzlerin sei, auch innerhalb der Koalition gemeinsam voranzukommen.

Der richtige Ort für die Erörterung dieses Themas sei die NATO, bekräftigten Wilhelm und der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Jäger. Dafür hat Merkel nach Angaben des Regierungssprechers auch während ihrer Polen-Reise geworben. In deutschen Delegationskreisen hieß es, auf polnischer Seite sei Bereitschaft spürbar gewesen, darüber in dem Militärbündnis zu sprechen.

"Misstrauen abbauen"

Der SPD-Vorsitzende Beck bekräftigte seine kategorische Ablehnung des US-Systems. "Es ist ein Irrglaube, dass mehr Waffen zu mehr Sicherheit führen", sagte er auf einem außenpolitischen Kongress der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. "Wir brauchen nicht mehr Raketen, sondern wir brauchen noch mehr Anstrengungen, um Vertrauen zu schaffen und Misstrauen abzubauen", fügte er laut dem vorab verbreiteten Redemanuskript hinzu. Er sei sich mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) einig, dass die Wahrung legitimer Sicherheitsinteressen nicht dazu führen dürfe, neues Misstrauen oder neue Unsicherheiten hervorzurufen. "Wir müssen alles tun, um eine neue Rüstungsspirale zu verhindern", betonte Beck.

Steinmeier im Gespräch mit Rice

Laut Steinmeier benötigen die Pläne für eine US-Raketenabwehr in Europa noch einiger Diskussionen, insbesondere im Rahmen der NATO. Natürlich hätten die USA das Recht, sich überall gegen eine drohende Raketengefahr zu wappnen, betonte Steinmeier am Montag in Washington nach Gesprächen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice im Rahmen eines US/EU-Treffens auf Ministerebene. Rice verwies auf ausführliche Gespräche mit Russland über eine US-Raketenabwehr in Europa. Die wachsenden militärischen Kapazitäten des Irans nähmen zu. Dem müsse die USA baldmöglichst etwas entgegen setzen.

Robert Kimmitt, stellvertretender US-Finanzminister und Experte für transatlantische Beziehungen, äußerte bei n-tv Verständnis für die deutsche Skepsis: "Wir verstehen ganz sicher die Bedenken, die aus der Geschichte Deutschlands und aus seinen Erfahrungen im Kalten Krieg gemacht wurden. Aber unser Ziel ist ganz deutlich ein gemeinsames, freies Europa, das sicher und in Frieden lebt." Die Gespräche, die innerhalb des NATO-Kontextes stattgefunden hätten, stimmten mit diesem Ziel überein.

Merkel warnte unterdessen auf einer Konferenz der Unionsfraktion zur transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft vor Alleingängen: "Wir sollten immer darauf achten, vertrauensvoll über alle Dinge gemeinsam zu sprechen, um Spaltungen zu vermeiden." Keiner werde die neuen Herausforderungen allein bewältigen können - das gelte für die EU wie für die USA.

Man solle nicht auf die Propaganda Moskaus hereinfallen, wonach dieses Raketenabwehrsystem gegen Russland gerichtet sei, sagte Eckart von Klaeden (CDU), außenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion, am Montag. Die zehn Abwehrraketen, die stationiert werden sollten, seien kein wirksamer Schild gegen Tausende von russischen Nuklearraketen. Das System richte sich vielmehr gegen Gefahren, die vom iranischen Atom- und Raketenprogramm ausgingen. Wer eine überzeugende Strategie gegen Iran verfolge, "der muss das Raketenprojekt ernsthaft in Erwägung ziehen", sagte von Klaeden. "Insofern ist die die Kritik von Herrn Beck unverständlich." Der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg sagte: "Verbale Abrüstung wäre angesagt." Man sollte sich "nicht der Zielsetzung russischer Spaltungsinteressen ergeben".

Keine Spaltung Europas

Die FDP warnte vor einer "Spaltung Europas". Ein solches Abwehrsystem in Osteuropa dürfe "keine bilaterale Geschichte" sein, sagte Generalsekretär Dirk Niebel. Die Bundesregierung habe in den Plänen aus Washington und Warschau nicht früh genug die "Gefahr eines neuen Wettrüstens" und die "Abwertung des NATO-Bündnisses" erkannt. Die Linkspartei befürchtet laut Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch ebenfalls ein neues Wettrüsten. Kritisch äußerten sich auch die Grünen: Europa sei weder eine "Kolonie der US-Bush-Regierung" noch ein "Schauplatz für Aufrüstungsperspektiven", sagte Parteichefin Claudia Roth.

Quelle: ntv.de

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