
63 Prozent der lesbischen Befragten wollen die Grünen wählen.
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Die SPD baut ihren Vorsprung aus, doch bei einer Gruppe verliert sie laut einer Studie deutlich: bei LGBTIQ-Wählern. Die Grünen werden hier den Sozialdemokraten demnach viele Stimmen abknöpfen, vor allem von Lesben. Schwule machen ihr Kreuz häufiger woanders.
LGBTIQ-Wähler haben laut einer aktuellen Umfrage eine klare Präferenz für die Grünen: Mit knapp 53 Prozent wollen mehr als die Hälfte der lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Befragten bei der Bundestagswahl Bündnis 90/Die Grünen wählen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Gießen in Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland. Autorin Dorothée de Nève hält das für "frappierend". Die zweitstärkste Partei ist demnach die Linke, der gut 17 Prozent der befragten Wahlberechtigten ihre Stimme geben möchten. SPD und Union verlieren im Vergleich zur vergangenen Wahl deutlich.
Für die Sozialdemokraten wollen nach rund 21 Prozent bei der Wahl 2017 diesmal nur noch 9 Prozent der Befragten stimmen. CDU/CSU kommen lediglich auf gut 3 Prozent nach knapp 7 Prozent bei der vergangenen Bundestagswahl. Die FDP erreicht rund 7 Prozent, die AfD weniger als 3 Prozent. Andere Parteien versammeln insgesamt knapp 6 Prozent auf sich.
Schätzungsweise 1,8 bis 3 Millionen der gut 60 Millionen Wahlberechtigten sind LGBTIQ, wie die Autoren vorrechnen, genaue Zahlen gibt es nicht. Ihre Parteipräferenzen haben sich im Vergleich zur vergangenen Wahl insgesamt deutlich verschoben: 2017 gaben nur 29 Prozent der Befragten an, voraussichtlich die Grünen zu wählen. Die Forscher führen den Umschwung auf eine Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik der vergangenen Jahre zurück. SPD-Wählerinnen und -Wähler ärgerten sich zum Beispiel, dass die Sozialdemokraten eine Aufhebung des Transsexuellengesetzes ablehnten - die Grünen hatten sich dafür eingesetzt. Für eine Änderung von Vornamen oder Geschlechtszugehörigkeit sind bisher Gutachten und Gerichtsverfahren nötig. Der Lesben- und Schwulenverband fordert stattdessen, dass ein Antrag beim Standesamt genügt.
Viele entscheiden sich für das "geringere Übel"
Schwule Männer bilden die größte Gruppe der Befragten. Im Vergleich zu vor allem lesbischen Frauen wählen sie lieber SPD (13 vs. 7,5 Prozent) und FDP (11 vs. 2,4 Prozent). Dagegen wollen 63 Prozent der Lesben ihr Kreuz bei den Grünen machen, während es bei den Schwulen 48 Prozent sind.
Den Parteien gelingt es laut den Wissenschaftlern allerdings nicht, LGBTIQ-Wähler dauerhaft an sich zu binden, das Wahlverhalten schwanke stark. Viele Befragte begründeten ihre Entscheidung etwa damit, dass sie das "geringere Übel" wählen; es handelt sich also oft um eine Negativauswahl. Auch strategische Gründe spielten eine Rolle, so wollen zum Beispiel manche den Unionskandidaten Armin Laschet verhindern.
Die wenigen Befragten, die die AfD wählen möchten, sind vor allem schwule Männer, wie Studienautor Niklas Ferch auf Nachfrage erläutert. Ihnen sind demnach Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit wichtig, manche schreiben Zugewanderten Homosexuellenfeindlichkeit zu.
Mit mehr als 5100 Befragten zwischen 18 und 97 Jahren handelt es sich um die LGBTIQ-Studie mit der nach eigenen Angaben weltweit größten Stichprobe. Diese wurde allerdings nicht repräsentativ, also zufällig ausgewählt, sondern die Befragten füllten den Online-Fragebogen aus, weil sie sich von sich aus dafür entschieden - zwischen 15. Juli und 15. August. Der Fragebogen war unter anderem über soziale Netzwerke und Multiplikatoren verbreitet worden.
Quelle: ntv.de