Abschiebungsfrage im Unterhaus Sunaks Ruanda-Plan droht Niederlage - Hardliner fordern Verschärfungen
12.12.2023, 16:10 Uhr Artikel anhören
Dem britischen Premier Sunak droht im Unterhaus eine heftige Abstimmungsniederlage.
(Foto: picture alliance/dpa/PA Wire)
Die Begrenzung der Migration ist eines der zentralen Wahlversprechen der Tories. Ein Abschiebungsplan nach Ruanda scheitert vor Gericht, die Zahl der Migranten bleibt hoch. Die Regierung will mit einem neuen Gesetz reagieren, droht jedoch bei einer Abstimmung eine weitere Schlappe zu kassieren.
Das britische Unterhaus debattiert seit diesem Mittag über ein in der konservativen Regierungspartei heftig umstrittenes Migrationsabkommen, das Abschiebungen von Asylbewerbern nach Ruanda vorsieht. Bei der für den Abend erwarteten Abstimmung droht Premierminister Rishi Sunak eine Niederlage, da der Gesetzentwurf einigen Tory-Abgeordneten nicht weit genug geht.
Um die Abstimmungsniederlage noch abzuwenden, berief die britische Regierung sogar den Chef ihrer Delegation bei der Weltklimakonferenz ab. Klima-Staatssekretär Graham Stuart habe die COP28 in Dubai verlassen, um an der Abstimmung über den Gesetzentwurf zum Ruanda-Asylpakt teilzunehmen, meldete die britische Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf den Regierungssitz 10 Downing Street. Stuart werde aber anschließend zur Klimakonferenz zurückkehren, hieß es demnach.
Der seit etwa einem Jahr amtierende Premier steht innenpolitisch stark unter Druck, die Zuwanderung zu begrenzen. Mit der Abstimmung riskiert er einen Autoritätsverlust wenige Monate vor der Parlamentswahl. Sowohl die Opposition als auch der rechte Flügel seiner Partei haben ihn heftig attackiert.
Der zur Abstimmung stehende Text reagiert auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Großbritanniens, der im November eine frühere Version des Plans, Migranten nach Ruanda abzuschieben, für rechtswidrig erklärt hatte.
Gericht: Ruanda kein sicherer Drittstaat
Das Gericht hatte Ruanda nicht als sicheren Drittstaat eingestuft und sah das Vorhaben als nicht vereinbar mit Großbritanniens internationalen Verpflichtungen an. Zur Begründung erklärte das Gericht, es sei nicht ausgeschlossen, dass Ruanda die Menschen in Regionen abschieben könnte, in denen ihnen Verfolgung drohe.
Unmittelbar nach dem Gerichtsurteil hatte die Regierung in London angekündigt, ein neues Abkommen mit Ruanda schließen zu wollen. Dieses war vergangene Woche von Innenminister James Cleverly in Kigali unterzeichnet worden.
Der neue Text definiert Ruanda als sicheres Drittland und verhindert die Rückführung von Migranten aus Ruanda in ihr Herkunftsland. Er sieht außerdem vor, Teile des britischen Menschenrechtsgesetzes nicht auf Abschiebungen anzuwenden, um den Rechtsweg für Migranten einzuschränken. Der für Zuwanderung zuständige Minister Michael Tomlinson sprach im Sender Sky News von "einem der härtesten Texte, die jemals im Parlament gegen die illegale Migration "vorgelegt wurden".
Brexiteers geht Entwurf nicht weit genug
Am Vortag hatten sich verschiedene Gruppierungen innerhalb der zerstrittenen Tories mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. Die gemäßigte Abgeordnetengruppe "One Nation" kündigte an, für den Text zu stimmen. Die radikalen Brexit-Befürworter der European Research Group erklärten hingegen, der Entwurf biete nur eine "partielle und unvollständige Lösung" zur Verhinderung von Gerichtsverfahren an und erfordere "sehr wichtige Änderungen".
Teile der Konservativen sind überdies der Ansicht, dass Großbritannien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und anderen internationalen Menschenrechtsabkommen austreten sollte. Sollte der rechte Flügel der Konservativen den Gesetzentwurf ablehnen, wäre dies eine schwere Niederlage für Premierminister Sunak.
Das umstrittene Vorhaben mit Ruanda war im April 2022 unter dem damaligen Premierminister Boris Johnson beschlossen worden, wurde bislang jedoch nicht umgesetzt. So wurde ein für Juni 2022 geplanter Flug mit Migranten in das ostafrikanische Land nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kurzfristig gestrichen.
Die britische Regierung hat das Vorgehen gegen die illegale Migration zu einem Schwerpunkt gemacht. Die Abschiebung illegal eingereister Flüchtlinge nach Ruanda wird dabei als eines der wichtigsten Mittel betrachtet. London steht durch eine Rekordzahl von über den Ärmelkanal einreisenden Migranten unter Druck. In diesem Jahr kamen auf diesem Weg rund 29.700 Menschen nach Großbritannien. Im vergangenen Jahr waren es knapp 46.000.
Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP