Abschiebung von Asylsuchenden Großbritannien opfert Menschenrechte seinem Ruanda-Plan
06.12.2023, 20:20 Uhr Artikel anhören
Premier Sunak steht unter erheblichem Druck des rechten Flügels, die Migration deutlich zu reduzieren.
(Foto: picture alliance / empics)
Das Oberste Gericht entscheidet, dass Londons Vorhaben, Asylbewerber direkt nach ihrer Ankunft nach Ruanda auszufliegen, gegen Menschenrechte verstößt. Premierminister Sunak will den "Human Rights Act" im Fall von Ruanda aussetzen, um Migranten doch noch auf diesem Weg loswerden zu können.
Die britische Regierung will sich bei ihren umstrittenen Plänen zur Abschiebung von Asylsuchenden nach Ruanda ausdrücklich nicht von Menschenrechten stoppen lassen. Der konservative Premierminister Rishi Sunak sagte, ein neuer Gesetzentwurf werde festlegen, dass zentrale Teile des britischen "Human Rights Act", der Menschenrechte vorschreibt, im Fall von Ruanda nicht angewendet werden können. Dies werde sicherstellen, "dass unser Plan nicht gestoppt werden kann", sagte Sunak.
Der Streit um die Verschärfung der britischen Zuwanderungsgesetze tritt innerhalb der Konservativen Partei von Sunak immer offener zutage. Am heutigen Mittwoch trat der für Migration zuständige Staatsminister Robert Jenrick zurück. Dem Abgeordneten, der eigentlich als Vertrauter Sunaks gilt, ging der Gesetzentwurf nicht weit genug, mit dem der Premier einen umstrittenen Asylpakt mit Ruanda durchsetzen wollte. "Ich kann nicht in meinem Amt weitermachen, wenn ich mit der Ausrichtung der Einwanderungspolitik der Regierung so deutlich nicht einverstanden bin", schrieb Jenrick auf der Plattform X (früher Twitter). Ressortchef James Cleverly bestätigte die Personalie im Parlament.
Mit dem geplanten Gesetz soll Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt werden. Die britische Regierung will Asylsuchende, die irregulär ins Land kommen, ungeachtet ihrer Herkunft umgehend in das ostafrikanische Land ausfliegen. Sie sollen dort Asyl beantragen, eine Rückkehr nach Großbritannien ist ausgeschlossen.
Sunak steht unter erheblichem Druck
Das Oberste Gericht in London hatte das Vorhaben auch mit Verweis auf rechtsstaatliche Defizite in Ruanda gestoppt. Es bestehe die Gefahr, dass Asylbewerber in dem ostafrikanischen Land kein faires Verfahren erhielten, betonte der Supreme Court. Das Gericht berief sich unter anderem auf Erfahrungsberichte des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Mit dem neuen Gesetz glaubt die Regierung, die Vorbehalte aus dem Weg räumen zu können. Premier Sunak steht unter erheblichem Druck des rechten Flügels, die Migration deutlich zu reduzieren.
Für Aufsehen sorgte ein außerordentliches Zitat von Innenminister James Cleverly auf der ersten Seite des Entwurfs. Er sei außerstande zu sagen, ob das Gesetz mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (ECHR) vereinbar sei, heißt es dort. Der rechte Flügel von Sunaks Konservativer Partei fordert, Großbritannien solle aus der ECHR aussteigen, damit internationale Gerichte das Vorhaben nicht mehr stoppen können. Es war der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der den bisher einzigen geplanten Flug mit Asylsuchenden nach Ruanda per einstweiliger Verfügung in letzter Minute gestoppt hatte.
Quelle: ntv.de, lve/dpa