Politik

"Könnte den Planeten zerstören" Supreme Court mischt sich in Klimaschutz ein

Wohnhäuser vor einem Kohlekraftwerk in West Virginia: Der Bundesstaat geht mit anderen gegen die EPA vor.

Wohnhäuser vor einem Kohlekraftwerk in West Virginia: Der Bundesstaat geht mit anderen gegen die EPA vor.

(Foto: AP)

Wenn es um Luftverschmutzung geht, ist in den USA die Umweltschutzbehörde EPA zuständig. Auf Antrag von republikanisch regierten Bundesstaaten und Kohleindustrie prüft das Oberste Gericht nun, ob das nicht zu viel Macht bedeutet. Klimaschützer schlagen Alarm.

Was darf die Umweltschutzbehörde EPA in den USA der Wirtschaft vorschreiben? Das wird das Oberste Gericht in den Vereinigten Staaten prüfen. Ein Bundesgericht hatte der EPA zuvor weitreichende Kompetenzen eingeräumt. Kohleindustrie und republikanisch regierten Bundesstaaten sind dagegen am Supreme Court in Berufung gegangen und werden nun angehört. Klimaschützer befürchten das Schlimmste: Dass der Supreme Court der Environmental Protection Agency die Zähne zieht und Umweltschutz noch mehr als ohnehin schon zum Spielball politischer Interessen und damit auch mächtiger Lobbyisten der fossilen Energiewirtschaft wird.

In den vergangenen Jahren sind mehrere Richterposten neu besetzt worden; nominiert worden waren sie von Ex-Präsident Donald Trump. Der Supreme Court hat damit eine deutliche Schlagseite bekommen; 6 von 9 Richtern gelten als konservativ. Viele Republikaner sehen eine historische Chance auf Veränderungen in ihrem Sinne. Insbesondere Abtreibungsgegner hoffen darauf, dass der Supreme Court das bisherige Präzedenzurteil des Obersten Gerichts kippt. Seit 1972 sind Schwangerschaftsabbrüche in den Vereinigten Staaten erlaubt. Auch Urteile zum Waffenrecht und Religionsfreiheit werden gespannt erwartet.

Nun also mischt sich das Oberste Gericht auch massiv in die Klimapolitik ein. West Virginia führt die insgesamt 18 Bundesstaaten vor dem Supreme Court gegen die Kompetenzen der EPA an. Nach Wyoming ist West Virginia der zweitgrößte Kohleförderstaat in den USA. Laut einer aktuellen Studie der dortigen Universität sind 17 Prozent der Wirtschaftsleistung im Bundesstaat und 33.000 Arbeitsplätze von der Kohle abhängig. Ein Umbau zu Erneuerbaren Energien würde für ihn eine neue Zeitrechnung bedeuten.

"Dramatische Veränderungen"

In ihrer Beschwerde kritisieren die Bundesstaaten und Unternehmen, die EPA könne durch das Bundesgerichtsurteil "Standards auf regionalem und sogar nationalem Level setzen und dramatische Veränderungen dabei erzwingen, wie und wo Elektrizität produziert wird und auch jeden anderen Wirtschaftssektor verändern." Ebendies ist im Gesetz "Clean Air Act" vorgesehen, was der Behörde erstmals bereits im Jahr 1963 grundlegende Kompetenzen zugesprochen hatte.

Im Gesetz ist vorgesehen, dass die EPA "die besten Wege zum Emissionsabbau" für Verschmutzer definiert und dann die Bundesstaaten beauftragt, entsprechend tätig zu werden. Als Barack Obama in seiner Präsidentschaft die Mehrheiten in beiden Kongresskammern verloren hatte, wollte er ein mit dem "Clean Power Plan" über die EPA die Energiewende einleiten und Kohleenergie schrittweise durch Erneuerbare ersetzen lassen. Der Supreme Court legte den Plan auf Eis, Donald Trump ersetzte ihn am letzten Tag seiner Präsidentschaft durch eine industriefreundliche Regelung.

Im Grunde wollen die Kläger also, dass die Behörde ihnen auch in Zukunft nichts vorschreiben darf und alles durch den Kongress entschieden werden muss. "Der Supreme Court könnte den Planeten zerstören", twitterte ein Abgeordneter der Demokraten entsetzt. "Das ist wie ein Erdbeben für solche, denen das Klima am Herzen liegt", sagte der Juraprofessor Richard Lazarus von der Harvard Universität der "New York Times": Die Entscheidung des Gerichts könnte die Fähigkeit der Regierung deutlich beschneiden, Treibhausgasemissionen der Kraftwerke im Land zu begrenzen. Dabei wäre es ein wichtiger Baustein, über den die USA ihr Klimaschutzziel erreichen könnte: Die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 zu halbieren.

Erheblicher Widerstand

Am Donnerstag hatte Biden seine Vorhaben über 555 Milliarden Dollar Investitionen in Klimaschutzprogramme präsentiert, etwa Elektroauto- und Solarzellenförderung. Damit können nach Überzeugung des Weißen Hauses die Emissionen halbiert werden. Am Sonntag dann folgte der langfristige Plan: Bis 2050 soll der zweitgrößte Umweltverschmutzer der Welt klimaneutral sein. "Unsere Investitionen und Politik werden die Wirtschaft befeuern, sie werden unsere Gesellschaft stärken und die Lebensqualität verbessern", sagte die Nationale Klimaberaterin Gina McCarthy im Weißen Haus.

Nur Wille und Worte reichen nicht. Kritiker bezweifeln ohnehin, dass die vorgesehenen Anstrengungen ausreichen. Es ist zudem unklar, ob der Präsident über den parlamentarischen Weg und damit der Gesetzgebung überhaupt das Ziel erreichen kann. Der Widerstand aus Wirtschaft und im Kongress ist erheblich. Biden kann Maßnahmen, etwa die Regulierung des Schadstoffausstoßes von Kohlekraftwerken, derzeit auch mithilfe der Umweltschutzbehörde EPA anschieben. Dafür muss aber geklärt sein, ob sie dies überhaupt darf. Das will nun der Supreme Court entscheiden.

Das Gericht ignorierte das Drängen von Bidens Regierung, sich herauszuhalten, solange die Behörde keine neue Regelung definiert habe. Deren Direktor Michael Regan sagte, er sei "sehr optimistisch", dass die EPA das Recht habe, CO2-Emissionen von Kohlekraftwerken einzuschränken: "Wir lassen uns nicht von unserer Aufgabe abbringen." Ein Urteil des Supreme Courts wird für kommenden Juni erwartet.

Quelle: ntv.de

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