Politik

Dramatische Szenen in Kalamata Ticket für den Unglückskutter kostete 5000 Euro

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Rührende Szene inmitten von Leid: Ein aus den Niederlanden angereister Syrer (l.) findet unter den Überlebenden seinen Bruder wieder.

Rührende Szene inmitten von Leid: Ein aus den Niederlanden angereister Syrer (l.) findet unter den Überlebenden seinen Bruder wieder.

(Foto: picture alliance/dpa/InTime/AP)

Angehörige der Migranten auf dem gesunkenen Fischkutter suchen unter den Überlebenden nach ihren Liebsten. Zeugen berichten, eine Fahrkarte habe 5000 Euro gekostet. Neun Schleuser wurden inzwischen festgenommen.

Nach dem schweren Bootsunglück mit vermutlich bis zu 500 Toten haben sich in der griechischen Hafenstadt Kalamata dramatische Szenen abgespielt. Seit dem Untergang des völlig überfüllten Fischkutters am Mittwoch waren aus ganz Europa Angehörige angereist, um herauszufinden, ob der Bruder, die Schwester oder der Neffe überlebt hat. Meist ohne Erfolg: Nur 104 Menschen konnten gerettet werden, 78 Menschen wurden tot geborgen, die anderen riss das Unglücksboot mit sich in die Tiefe. Die griechischen Behörden suchten zwar noch weiter, doch es wurde davon ausgegangen, dass die Aktivitäten spätestens am Samstag eingestellt werden.

Nach Angaben Überlebender hatten die Flüchtlinge für die Überfahrt rund 5000 Euro pro Kopf gezahlt. Neun der Überlebenden hatte die griechische Polizei bereits am Donnerstag als mutmaßliche Schleuser festgenommen - die Männer mit ägyptischer Staatsbürgerschaft sollen wegen Menschenhandels und fahrlässiger Tötung angeklagt werden. Die Behörden untersuchen auch die Zuständigkeit der Küstenwache - sie hatte der Besatzung des Bootes nach eigenen Angaben mehrfach per Funk Hilfe angeboten, doch diese sei ausgeschlagen worden. Viele fragen sich, wieso die Beamten nicht trotzdem tätig wurden.

Zweifel am Rettungsversuch der griechischen Küstenwache

Der Sprecher der Behörde erklärte, ein Eingreifen in internationalen Gewässern sei nicht möglich, wenn der Kapitän des Bootes dies ablehne. Neben dem größten Leid kam es am Freitag in Kalamata auch zu rührenden Szenen: So fand ein Syrer, der aus den Niederlanden angereist war, unter den Überlebenden seinen Bruder, wie der Sender Skai zeigte. Die Überlebenden wurden in ein Auffanglager gebracht. Dort können sie Asyl beantragen. Für die vielen Menschen, die das Boot mit sich in die Tiefe zog, ist es hingegen zu spät. Überlebende berichteten, dass rund 100 Kinder an Bord waren.

Während nach derartigen Katastrophen noch bis vor kurzem Politiker aller Länder die Zustände anprangerten, blieb es diesmal erstaunlich still. Wer sich äußerte, verwies zumeist darauf, dass man nun endlich dafür sorgen müsse, dass die Menschen sich gar nicht erst auf den Weg machten. Von Bundeskanzler Olaf Scholz hieß es: "Das ist bedrückend", von Innenministerin Nancy Faeser "Wir dürfen nicht abstumpfen" und von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie sei "zutiefst betrübt".

"Derzeitiges Konzept für das Mittelmeer funktioniert nicht"

"Der Abgrund Europas liegt in den Worten ohne Mitleid und Bedeutung, die nach einer Tragödie wie der von Pylos (Peloponnes) ausgesprochen werden", kommentierte die italienische Zeitung "La Stampa". Es sei von Migrationsströmen die Rede, aber die aktuelle Tragödie verdiene nicht einmal eine Randbemerkung, obwohl es sich um eine der schlimmsten Tragödien aller Zeiten handele. "Für Europa ist es so, als wäre es business as usual", bilanzierte die Zeitung.

Auch UN-Organisationen kritisierten die EU. "Es ist klar, dass das derzeitige Konzept für das Mittelmeer nicht funktioniert", teilte der Direktor der Abteilung für Notfälle der UN-Organisation für Migration (IOM) mit. Die EU müsse Sicherheit und Solidarität in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen, hieß es von der stellvertretenden Hochkommissarin für Flüchtlinge, Gillian Triggs. In Griechenland gingen am Donnerstag 8000 Menschen auf die Straße, um gegen die EU-Migrationspolitik zu protestieren, wie das Staatsfernsehen zeigte. "Die EU bringt Menschen um", hieß es auf den Transparenten.

Die EU-Staaten hatten sich erst vergangene Woche auf umfassende Reformen in der Asylpolitik verständigt. Unter anderem sollen Asylanträge von Migranten an den EU-Außengrenzen binnen zwölf Wochen geprüft werden. Währenddessen sollen die Menschen in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen bleiben. In Griechenland werfen linke Parteien der konservativen griechischen Regierung der vergangenen vier Jahre vor, für das Unglück mitverantwortlich zu sein. Weil die Regierung die Kontrollen in der Ägäis massiv verschärft habe, nutzten die Migranten nun die viel weitere und gefährlichere Route um Griechenland herum direkt nach Italien.

Quelle: ntv.de, Alexia Angelopoulou und Takis Tsafos, dpa

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