Auch Kapitän unter Verdächtigen Neun Schleuser nach Bootsunglück festgenommen
15.06.2023, 21:46 Uhr Artikel anhören
Medienberichten zufolge kam es auf dem Boot zu einer Massenpanik, nachdem die Maschinen des alten Kutters ausgefallen waren.
(Foto: picture alliance / AA)
Am Mittwochmorgen kentert ein vollbesetztes Flüchtlingsboot vor der Küste Griechenlands - über 500 Menschen könnten dabei ums Leben gekommen sein. Sofort leiten die Behörden Ermittlungen ein - und nehmen nun neun Menschen fest. Ihnen wird vorgeworfen, einer Schlepperbande anzugehören.
Nach der Flüchtlingstragödie mit Dutzenden Toten vor der Küste Griechenlands hat die Polizei neun Menschen unter dem Verdacht festgenommen, einer Schlepperbande anzugehören. Wie von Seiten der Hafenbehörden verlautete, befindet sich unter den neun Festgenommenen ägyptischer Nationalität auch der Kapitän des Fischerbootes, das am Mittwochmorgen westlich der Halbinsel Peloponnes gekentert war.
Die griechische Nachrichtenagentur ANA meldete, die neun Verdächtigen seien in der auf der Peloponnes liegenden Hafenstadt Kalamata festgenommen worden. Nach Angaben aus Kreisen der Hafenbehörden war das Schiff in Ägypten gestartet, hatte in der libyschen Hafenstadt Tobruk die Migranten an Bord genommen und dann Kurs Richtung Italien genommen.
Laut Küstenwache wurden bis zum Donnerstagabend 78 Leichen geborgen. Insgesamt könnten bei dem Unglück mehr als 500 Migranten ums Leben gekommen sein, nur 104 überlebten, teilten die Behörden mit. An Bord könnten sich insgesamt zwischen 500 und 700 Menschen befunden haben, wie die Behörden unter Berufung auf die Befragung Überlebender und Schätzungen der Kapazität des Bootes bekanntgaben. Inzwischen gibt keine Hoffnung mehr, Überlebende zu finden. Trotzdem wurden die Rettungsarbeiten gemeinsam mit Kriegsmarine und Luftwaffe fortgesetzt, wie das Staatsfernsehen zeigte.
Frontex-Chef: Lage auf dem Mittelmeer "dramatisch"
Medienberichten zufolge soll es an Bord zur Massenpanik gekommen sein, als die Maschinen des alten Kutters ausfielen. Das übervolle Schiff sei daraufhin aus dem Gleichgewicht gekommen, gekentert und sofort gesunken. Überlebende gaben an, dass viele Passagiere nicht schwimmen konnten und auch kaum einer eine Schwimmweste trug. Auch hätten sich die Menschen unter Deck so schnell nicht ins Freie retten können. Unter ihnen seien viele Frauen und bis zu 100 Kinder gewesen, hieß es.
Die griechische Küstenwache und auch vorbeifahrende Frachter hätten der Besatzung des Boots per Funk wiederholt Hilfe angeboten, sagte ein Sprecher der Behörde. Die Besatzung hätte das Angebot jedoch ausgeschlagen, mit der Begründung, man wolle Italien erreichen. Weil sich das Boot in internationalen Gewässern befand, konnten die Beamten erst eingreifen, als der Kutter in der Nacht zum Mittwoch in Seenot geriet und kenterte.
Auch die EU-Grenzschutz-Agentur Frontex wusste um das gefährdete Boot. Seine Kollegen hätten das Boot am Dienstag entdeckt und den Behörden gemeldet, sagte Frontex-Chef Hans Leijtens der "Süddeutschen Zeitung". Er selbst sei direkt nach Griechenland geflogen, um zu klären, was genau passiert sei. Allerdings könne man keine Wunder vollbringen: "Wir überwachen ein Meer, das doppelt so groß ist wie Frankreich, Spanien und Italien zusammen. Es ist sehr schwer, jedem zu helfen, der in Not gerät", sagte er.
Man dürfe gar nicht erst warten, bis die Schiffe kommen. "Wir müssen mehr dagegen tun, dass sie ablegen." Der Druck auf Europas Grenzen wachse, die Zahl der Flüchtlinge nehme gerade auf dem Mittelmeer zu und die Lage dort sei "dramatisch", sagte Leijtens.
Quelle: ntv.de, spl/AFP/dpa