"Wen trickst Athen diesmal aus?" Unionspolitiker verhehlen ihre Skepsis nicht
10.07.2015, 10:45 Uhr
Auch der Bundestag muss einem dritten Hilfspaket für Griechenland zustimmen.
(Foto: dpa)
Zahlreiche Euro-Länder schüren die Hoffnung auf eine Einigung im Schuldenstreit. In Deutschland traut man dem Frieden indes nicht. Mehrere Unionspolitiker bezweifeln, dass Athen die angekündigten Reformen auch umsetzen wird. Die Realität lasse dies kaum zu.
Die griechische Regierung hat ihren Gläubigern eine neue Spar- und Reformliste vorgelegt. Sie geht über das hinaus, was sie ihrer eigenen Bevölkerung noch vor einer Woche empfohlen hat abzulehnen. Den Gläubiger könnte diese Liste als Türöffner für weitere Verhandlungen über ein drittes Reformpaket reichen, die griechische Bevölkerung könnte sich indes von ihrer Regierung getäuscht fühlen.
Auch in Deutschland zweifeln führende Unionspolitiker an der Ernsthaftigkeit der neuen Reformvorschläge. So stellte Fraktionsvize Ralph Brinkhaus die Frage: "Wie glaubhaft ist es, dass diese Reformliste auch umgesetzt wird?" Schließlich umfasse sie offenbar weithin frühere europäische Vorschläge, die die Regierung in Athen und die griechischen Bürger beim Referendum am vergangenen Sonntag abgelehnt hätten. "Von daher stellt sich dann auch die Frage der Glaubwürdigkeit."
Sein Kollege in der Fraktionsführung Hans-Peter Friedrich von der CSU sagte: "Entweder die griechische Regierung trickst ihr eigenes Volk aus oder wieder mal uns." Allerdings stehe derzeit noch gar keine Entscheidung über die Reformvorschläge an, die die griechische Regierung in der Nacht in Brüssel eingereicht habe, sagte Brinkhaus. Nun müsse erst einmal geklärt werden, ob man Verhandlungen aufnehme, und dabei habe der Bundestag ein gewichtiges Wort mitzureden.
Die Debatte um Schuldenerleichterungen für das Land hält Brinkhaus für ein Ablenkungsmanöver. Die Schuldendienste seien aktuell nicht das Hauptproblem Griechenlands, sondern Reformen. Er sei, was das Thema Schuldenentlastungen angehe, "sehr skeptisch". Ein Schuldenschnitt sei momentan "wirklich nicht das Hauptthema".
Besser wäre ein Ausscheiden aus dem Euro
Friedrich verband seine Zweifel an den griechischen Reformvorschlägen mit einer scharfen Kritik an der EU-Kommission. "Da habe ich sehr wenig Vertrauen", sagte er. In Sachen Griechenland könne man EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker "auch eine alte Zeitung schicken mit Unterschrift, und dann würde der sagen toll, toll, toll. Das ist jetzt die Basis". Friedrich wiederholte seine Auffassung, dass aus ökonomischer Sicht ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro geboten sei.
Erwartet wird, dass die griechische Regierung die Reformpläne ihren Wählern nur schmackhaft machen kann, wenn sie an anderer Stelle mehr herausholt. Das spricht für weitere Schuldenerleichterungen - sei es in Form niedrigerer Zinsen, längerer Laufzeiten oder einer Absenkung des Rückzahlungsbetrags.
Der Ökonom Marco Bargel von der Postbank warnt vor einem "faulen Kompromiss". Er erwartet, dass Griechenland "wie üblich nur Reformgesetze verspricht. Die wurden bislang häufig nicht umgesetzt." Außerdem wäre das ein Schlag ins Gesicht der Länder, die ihre Hausarbeiten anders als Griechenland gemacht haben und jetzt wie Spanien, Portugal oder Irland wieder wachsen", sagte der Chefvolkswirt. "Ein fauler Kompromiss würde die Reformgegner in vielen Ländern stärken und die Währungsunion damit schwächen."
In Brüssel beraten derzeit die Experten über die neue Reformliste, mit der sich am Samstag dann die Finanzminister der Euro-Zone befassen sollen.
Quelle: ntv.de, ppo/rts