Politik

"Peinliche Anbiederung" Unmut über Merkel-Vorstoß

Der Vorstoß von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für einen ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat ist auf ein überraschend negatives Echo gestoßen. Die Opposition kritisierte die Forderung heftig, aber auch in der SPD gab es Unmut. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte in New York gleichwohl, in seinen Gesprächen am Rande der Vollversammlung die Chancen für den Sitz ausloten zu wollen.

"Peinliche Anbiederung"

Merkel hatte vor der UN-Vollversammlung in New York den Anspruch Deutschlands auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat bekräftigt. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich bezeichnete das Vorhaben in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa als "Anbiederung", die "peinlich" sei. Die FDP hielt die Initiative für wenig erfolgreich. Die Grünen und Linken meinten, im Vordergrund einer Reform des Sicherheitsrats müsste eher eine Vertretung Afrikas und Lateinamerikas stehen.

Mützenich sagte: "Wir sollten uns endlich eingestehen: für einen solchen Sitz wird es keine Mehrheit geben." Internationaler Einfluss sei vor allem eine Frage einer "überzeugenden und ausgleichenden Außenpolitik". Steinmeier betonte hingegen: "Wir haben unseren Ehrgeiz nicht aufgegeben, einen Sitz im Sicherheitsrat zu bekommen." Er verwies aber auch darauf, dass in der Vollversammlung zur Änderung der UN-Charta eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist.

Vier Jahre nach dem gescheiterten Vorstoß ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD) hatte die CDU-Chefin gesagt: "Deutschland ist bereit, auch mit der Übernahme eines ständigen Sicherheitsratssitzes mehr Verantwortung zu übernehmen." In seiner jetzigen Zusammensetzung spiegle das höchste UN-Entscheidungsgremium nicht mehr die Welt von heute. "Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, den Rat den politischen Realitäten anzupassen."

Steinmeier war in der Nacht zum Mittwoch in New York angekommen, kurz nachdem Merkel wieder nach Deutschland abgeflogen war. Nach Ansicht des Außenministers hat sich die Stellung Deutschlands in der Welt seit 1990 verändert: "Unsere Stimme wird als wichtige gehört." Deshalb sei es verständlich, dass Deutschland sich bemühe, institutionell im Sicherheitsrat vertreten zu sein.

Der außenpolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Gehrcke, bezeichnete hingegen das Vorhaben in Berlin als "Ausdruck einer zunehmenden Großmannssucht deutscher Außenpolitik". Die Grünen warfen Merkel vor, mit ihrer Politik gegenüber den USA nicht erfolgreich zu sein. Bushs "Nichterwähnung Deutschlands bei einer Reform des Weltsicherheitsrats ist eine Ohrfeige aus Washington", sagte Vizefraktionschef Jürgen Trittin. FDP-Fraktionsvize Werner Hoyer bezeichnete in der "Saarbrücker Zeitung" den Wunsch Deutschlands als "uraltes Projekt".

Dämpfer auch in New York

Einen Dämpfer hatten die deutschen Ambitionen auf einen Sitz im Sicherheitsrat aber durch US-Präsident George W. Bush erhalten, der Japan als möglichen Kandidaten nannte, nicht aber die Bundesrepublik. Bush sagte vor der Vollversammlung, die Vereinigten Staaten würden sich "alle guten Ideen" zu einer Reform des UN-Sicherheitsrats anhören. "Wir werden Veränderungen im Sicherheitsrat als Teil einer umfassenden UN-Reform unterstützen."

Der italienische Ministerpräsident Romano Prodi, der unmittelbar vor Merkel das Wort ergriff, lehnte jede Erweiterung um neue ständige Mitglieder entschieden ab. Die Bereicherung der Vereinten Nationen durch eine wachsende Zahl von Mitgliedern sollte nicht vergeudet werden, "indem man selektive und elitäre Reformen vornimmt", sagte er.

Im Sicherheitsrat sind derzeit nur die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich ständig und daher mit Vetorecht vertreten. 2004 hatten Deutschland und Japan gemeinsam mit Brasilien und Indien eine Initiative für eine Erweiterung gestartet, die ständige Sitze für die vier Staaten vorsah. Die Anstrengungen blieben erfolglos.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen