"Weiße Fahne" hissen Vatikan versucht Aussage des Papstes zu Ukraine einzufangen
10.03.2024, 09:32 Uhr Artikel anhören
Papst Franziskus wirft die Frage auf, wie viele Tote es bei dem Krieg am Ende geben werde.
(Foto: IMAGO/Independent Photo Agency Int.)
Im Ukraine-Krieg gerät Kiew zunehmend in die Defensive. Nachdem Papst Franziskus in einem Interview "Mut zu Verhandlungen" gefordert hat, präzisiert Vatikan-Sprecher Matteo Bruni die Äußerungen des katholischen Kirchenoberhaupts. Eine Kapitulation der Ukraine sei damit nicht gemeint.
Der Leiter des vatikanischen Pressebüros, Matteo Bruni, hat die Äußerung von Papst Franziskus kommentiert. In einem von "Vatican News" veröffentlichten Statement erklärte der Vatikan-Sprecher, dass Franziskus von der "weißen Flagge" gesprochen habe, "um eine Einstellung der Feindseligkeiten zu bezeichnen, einen Waffenstillstand, der mit dem Mut zur Verhandlung erreicht wurde". Bruni betonte, der Pontifex habe nicht die Kapitulation Kiews gemeint, sondern vielmehr einen Aufruf gestartet zu einer "diplomatischen Lösung auf der Suche nach einem gerechten und anhaltenden Frieden" in der Ukraine. In dem Interview habe der Journalist in einer Frage die Metapher der weißen Fahne vorgeschlagen, die von Franziskus aufgegriffen wurde, um eine Einstellung der Kämpfe durch Verhandlungen zu bezeichnen.
In der Ukraine wurde der Begriff der "weißen Fahne", den der Papst gebrauchte, als Aufforderung zur Kapitulation verstanden und löste erboste Reaktionen aus. "Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet", schrieb der frühere Abgeordnete und Vizeinnenminister Anton Heraschtschenko auf X. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, nannte den Papst mit einem Bibelwort einen "Kleingläubigen". Offizielle Kiewer Stellen äußerten sich bisher nicht. Schon frühere Papstäußerungen weckten bei den Ukrainern das Gefühl, dass Franziskus mehr Verständnis für Russland aufbringt als für ihr angegriffenes Land.
Papst Franziskus hatte im Gespräch mit dem Schweizer Fernsehen RSI in Richtung Kiew geraten, die "weiße Fahne" zu hissen. "Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben, zu verhandeln", sagte der Papst in dem am Samstag veröffentlichten Interview. "Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird", so das Kirchenoberhaupt in dem Gespräch, das den Angaben zufolge am 25. Februar, einen Tag nach dem zweiten Jahrestag des Kriegsausbruchs, geführt wurde.
Er sei der Ansicht, dass derjenige Stärke zeige, "der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut hat, die weiße Flagge zu hissen und zu verhandeln", sagte der Papst. Es gebe viele Akteure, die als Vermittler bereitstünden, darunter die Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich am Freitag als Gastgeber für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angeboten. Das NATO-Mitglied Türkei hat seit Beginn des Kriegs seine Kontakte sowohl zur Ukraine als auch zu Russland aufrechterhalten.
Ukraine und Russland lehnen Verhandlungen ab
Jedoch hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Erdogan Nachdruck auf seinen Friedensplan gelegt. Dieser sieht unter anderem einen vollständigen Abzug russischer Truppen aus der Ukraine und die Wiederherstellung der ukrainischen Staatsgrenzen vor. Russland hat Friedensgespräche zu von Kiew festgelegten Bedingungen abgelehnt.
In dem seit mehr als zwei Jahre dauernden Krieg leiden die ukrainischen Soldaten an der Front zunehmend unter Munitionsmangel - unter anderem wegen der Verzögerung weiterer Militärhilfe aus den USA. Fast jede Nacht startet Russland Schwärme von Kampfdrohnen gegen die Ukraine.
Quelle: ntv.de, gut/AFP/dpa